Sonntag, 29. September 2013

Wie ein kleiner Hund mein moralisches Gewissen herausforderte


"Der Charakter offenbart sich nicht an großen Taten;
an Kleinigkeiten zeigt sich die Natur des Menschen."

(Jean-Jacques Rosseau)

Der neue Untertitel dieses Blogs lautet: „ Über das Leben, das Universum und dem ganzen Rest“. Um den „alles umfassenden Anspruch“ dieser Worte ein wenig gerecht zu werden, möchte ich heute in diesem Essay von einer erlebten Episode aus jüngerer Vergangenheit berichten, die nach meiner Auffassung sehr schön aufzeigt, wie eine gewisse Charakterreife und moralische Verantwortung zusammenhängen - und zwar in ganz alltäglichen, kleinen Dingen.

Kot in der Waschküche

Der Austragungsort dieses makellosen Beispiels von pubertären Trotz im Erwachsenenalter ist irgendwo im Süden von Deutschland, genauer in Franken. Im Juni letzten Jahres beziehe ich hier meine neue Wohnung. Das angemietete Ein-Zimmer-Appartement befindet sich in einem Einfamilienhaus, welches wiederum eine Art Wohngemeinschaft darstellt. Im Erdgeschoss wohnt der Vermieter Martin mit seiner Lebensgefährtin Ramona. (Nach kurzem Abwägen habe ich mich doch für Pseudonyme und gegen die Klarnamen entschieden)
In der ersten Etage befinden sich die drei Einzelzimmer sowie die Gemeinschaftsräume Küche und Bad, die zusammen als WG fungieren. Unter dem ausgebauten Dach befindet das Appartement, das ab sofort mein neues Zuhause sein sollte.
Einige Wochen nach meinen Einzug kam es zu der Situation, dass Martin, Ramona und ihr kleiner Sohn für einige Tage verreisen. Dieser Patchworkfamilie gehören auch noch zwei kleine Hunde an, landläufig bekannt als Zwergpinscher – manche benützen auch das weniger geflügelte Wort „Teppichratten“. Tom und Kinka, so die Namen der beiden Pinscher, dürfen den dazugehörigen Garten mit Rasenfläche ihr Revier nennen. Das jedem Hundebesitzer vertraute morgendliche und abendliche Gassi-Gehen fällt aus. Dazu müsste sich ja einer der Beteiligten bewegen und feste Zeiten einhalten. Am ehesten wäre das wohl die offizielle Besitzerin Ramona. Da man aber solch kleine Hunde auch einfach den Garten vollpissen und -kacken lassen kann, ohne das es allzu sehr auffällt und stinkt, geht man von Seiten der Besitzerin her einfach den Weg des geringsten Widerstands.

An einem schönen Sonntagnachmittag gehe ich zum obligatorischen wöchentlichen Wäsche waschen runter in den Keller. Unmittelbar bevor ich die Holztür öffne, höre ich von innen heraus ein nicht identifizierbares Kratzen an der Tür. Ich halte kurz inne, öffne dann aber doch die knarrende Tür zu der gemeinschaftlich genutzten Waschküche. Kaum ist die Tür einen Spalt geöffnet, kommt mir ein vierbeiniges Etwas wie eine Rakete entgegen gerannt und verschwindet im Hausflur. Zuerst bin ich verdutzt und frage mich, was das war. Schließlich gehe ich weiter in den Waschraum hinein und traue meinen Augen kaum vor den Waschmaschinen steht ein Hundekorb, zwei leere Futterschalen und daneben ein Katzenklo - alles in einem verdreckten Zustand. Als ich mich umschaue, entdecke ich überall auf dem Steinboden verstreuten Hundekot. Kinka, das Weibchen, muss hier schon seit ein paar Tagen hausen. Ich bin zuerst mal fassungslos. Nicht nur das der kleine Hund unter völlig inakzeptablen Umständen in den Keller verfrachtet wurde - offensichtlich mangels Alternativen während des Kurzurlaubs -, nein, erschwerend und noch unfassbarer kommt hinzu, dass es sich hier um eine gemeinschaftlich genutzten Waschraum handelt, in dem Wäsche gewaschen und aufgehängt wird.
Ich spüre, wie in mir eine Mischung aus Mitgefühl und Wut aufsteigt. Einerseits Mitgefühl, weil ich von oben den winselnden Hund höre, wie er vor der verschlossenen Wohnungstür seines „Frauchen“ sitzt, andererseits Wut über so viel Herzlosigkeit einem Tier gegenüber. Ohne all zu lange nachzudenken, beschließe ich zu handeln. Nachdem ich meine Maschine angestellt habe, rufe ich Martin auf dem Handy an und schildere ihm die von mir vorgefundene Situation. Ich merke, dass ihm das Ganze ein wenig unangenehm ist. Er stochert nach Sätzen wie„mir war das auch nicht recht, aber Ramona meinte, das wäre okay.“ Mir kommt spontan die Frage in den Sinn, wer denn hier der Hausbesitzer sei.Ich frage nach, was ich denn jetzt tun solle, da der Hund vor der Wohnungstür sitzt und jammert. „Pack sie wieder in die Waschküche“, lautet die kurze Antwort. Nach dieser Aussage dreht sich zwar bei mir kurzzeitig der Magen um, trotzdem bestätige ich ihm das Anliegen und lege auf.

Ich bin hin- und hergerissen: einerseits ist es nicht mein Hund und somit könnte es mir egal sein, andererseits empfinde ich in meinem Inneren ein moralisches Verantwortungsbewusstsein, das über „mein Hund oder nicht meiner“ hinausgeht. Davon abgesehen wurde die Angelegenheit in dem Moment, als der verdreckte Hund durch die Tür gerauscht kam, auch zu meiner Angelegenheit. Ich nehme das verschreckte Tier auf den Arm – es zittert wie Espenlaub - , streichele die kleine Hündin ein wenig und setze sie mit großen Widerwillen wieder zurück in ihr „Gefängnis“. Ich muss in Windeseile die Tür hinter mir schließen, da sie weiß, wo sich die Pforte zur Freiheit befindet. Kurze Zeit später, als ich mich wieder in meiner Dachgeschosswohnung befinde, beschäftigt mich dieses Ereignis weiterhin. Ständig denke ich an das kleine Wesen drei Etagen unter mir, das sich in ihren eigenen Dreck und Kot aufhalten muss.

Am schlimmsten sind meine eigenen Gewissensbisse. Am liebsten würde ich das Veterinäramt verständigen - dann drängt sich aber eine andere Stimme in mir auf, die mir einflüstert, dass ich erst seit zwei Monaten hier wohne und nicht gleich Unfrieden stiften soll. Hinzu kommt, dass ich ein Mensch bin, der anhaltende Disharmonie und Missgunst auf solch engen Raum nicht lange aushält. Man begegnet sich hier eindeutig öfters als beispielsweise in einem Mehrfamilienhaus mit 10 Parteien. So beruhige ich mein Gewissen, indem ich im Laufe des Nachmittags mehrmals in die Waschküche gehe und mich um das verängstige Wesen kümmere. Ich lasse die Hündin hinaus in den Garten, streichle sie und fülle ihr Futter nach. Zu diesem Zeitpunkt gehe ich noch davon aus, dass ich dem Tier sowie dessen Besitzerin einen großen Gefallen erweise. Ich sollte mich irren.

Kümmere dich um deinem Kram“

Am Dienstag, zwei Tage nach meinem Fund in der Waschküche, sind Martin und Ramona wieder da. Entspannt und gelöst klopfe ich an ihre Wohnungstür und frage ob ich hineinkommen darf. Bis zu diesem Zeitpunkt glaube ich noch, alles richtig gemacht zu haben, ja sogar eine gute Tat für ihren geliebten Hund vollbracht zu haben. Die Familie sitzt am Küchentisch und isst gerade zu Mittag. Ich setze mich dazu. Nach ersten Floskeln über den Urlaub frage ich mit einem etwas zynischen Lächeln, ob den der Hund noch lebe. Innerhalb von einer Sekunde lässt Ramona ihre Gabel auf den Teller fallen, springt wie von einer Tarantel gebissen von ihrem Stuhl auf, steckt sich hastig einen Zigarette an und läuft in Richtung Fenster. “Natürlich lebt der noch!“ Für einige Sekunden herrscht betretendes Schweigen am Mittagstisch. Martin schaut mich mit einer Mischung aus Mitleid und Hilflosigkeit an. Er ist dann auch der Erste, der das Wort wieder ergreift und versucht, durch einen Themenwechsel die Situation zu retten. Es werden ein paar oberflächliche Sätze ausgetauscht, was aber an der grundsätzlichen prekären Situation nichts ändert. Ich bin zuerst mal perplex und überrumpelt, da ich nicht direkt ergründen kann, warum es zu diesem emotionalen Ausbruch kam. Fünf Minuten setze ich mich der unangenehmen Situation noch aus, dann verabschiede ich mich in Richtung Arbeitsstelle.

Erst nach einigen Minuten Abstand wird mir die Tragweite der ganzen Situation bewusst. Hier fühlt sich jemand massiv in seinen Persönlichkeitsrechten angegriffen – oder man könnte auch sagen: Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein. Ist dies wirklich so? Habe ich hier irgendwelche Rechte verletzt oder mich in fremde Angelegenheiten eingemischt?

Die Konsequenzen dieses vermeintlichen Übergriffs bekomme ich von Ramona die nächsten Tage deutlich zu spüren. Von der anfänglichen Sympathie mir gegenüber ist nichts mehr vorhanden - wobei sie mir vom ersten Handschlag an sowieso eher oberflächlich vorkam. Während der kurzen Begegnungen in Treppenhaus oder Garten straft sie mich mit einer eiskalten Nichtbeachtung. Sie versucht tunlichst mir nicht zu begegnen, und wenn es doch mal nicht zu vermeiden ist, ignoriert sie meine Blicke und geht schweigend an mir vorbei. Mich lässt die Situation nicht unberührt, obgleich ich mir nach wir vor keiner Schuld bewusst bin, und ich aus einem reinem Gewissen heraus gehandelt habe.

Eine Woche schaue ich mir das Spektakel mit an. Dann ergreife ich die Initiative und suche das Gespräch – und zwar zu dritt: Martin, Ramona und ich. Es findet auf der Treppe vor dem Haus statt. Schon nach wenigen Minuten bestätigt sich mein gewonnener Eindruck der letzten Tage, in Hinblick auf die Konfliktfähigkeit dieser Frau. Ich schildere noch mal aus meiner Sicht die Situation, die ich vor rund zwei Wochen vorgefunden habe. Während der Schilderung verlässt Ramona ohne einen weiteren Kommentar das Gespräch und geht ins Haus. Schon während meiner Ausführungen konnte sie mir nicht in die Augen sehen. Ich spreche mit Martin zuerst einmal alleine weiter. Bei ihm fallen meine Worte nicht in taube Ohren, sie fallen auf einen ganz anderen Verständnishorizont. „ Ich kann dich voll verstehen wie du gehandelt hast“ und „Ich sagte zu Ihr, das mir das auch nicht recht sei, den Hund in die Waschküche zu sperren“ sind zwei seiner Aussagen. Plötzlich erscheint Ramona wieder auf dem Treppenabsatz. Die Arme verschränkt, Blick nach unten gerichtet und einem Ausdruck im Gesicht, der nur eines sagt: Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein. Ich setze das Gespräch mit Martin fort und plötzlich ertönt es vom Treppensockel in gereizter Tonlage: „Kümmere dich um deinen Kram.“

Ich spüre deutlich die dahintersteckende Aggression. Ich erwidere etwas, an das ich mich nicht mehr genau erinnern kann, aber an die darauffolgende Handbewegung von Ramona erinnere ich mich umso genauer. Mit der linken Hand wischt sie sich über die Rechte, was nur eine Interpretation zulässt: Leck mich am Arsch! Dreht sich auf dem Absatz um und verschwindet wortlos wieder im Haus. In Martins Gesicht erhasche ich wieder diesen Blick aus Mitleid und Hilflosigkeit. Mit einer Mischung aus Frust und Enttäuschung sage ich zu ihm, dass mein Dasein als Mieter in diesem Haus keine große Zukunft haben wird, sollte diese Situation in den nächsten Wochen anhalten . „Ich werde heute Abend mit Ramona noch einmal eindringlich darüber sprechen und gebe dir dann Bescheid“, antwortet er.

Eine Woche hält diese angespannte Situation noch an. Martin gibt mir wenige Tage nach dem Treppengespräch tatsächlich eine Rückmeldung. Er hätte mit Ramona noch einmal intensiv darüber gesprochen, dabei auch erwähnt, dass er genauso gehandelt hätte wie ich. So etwas wie Einsicht hätte sich bei ihr eingestellt und nach Martins Interpretation wäre von Ihrer Seite aus kein Groll mehr gegen mich vorhanden und die Sache somit erledigt. In den alltäglichen kurzen Begegnungen erlebe ich aber noch eine beleidigte und einsilbige Frau – sie erinnert mich an eine trotzende Pubertierende. Die kurzen Gespräche sind noch oberflächlicher und kürzer als sonst und ich spüre ganz deutlich, dass unter der Oberfläche nach wie vor Zornesbrände flackern. Es streichen weitere Tage ins Land, in denen mein verkrampfter Magen mir deutlich signalisiert, dass die Sache zumindest für mich noch nicht gelöst ist. Innerlich schwanke ich zwischen „die Frau ist mir egal“ und dem Wiederherstellen wenigstens einer oberflächlichen Harmonie, nicht zuletzt aufgrund der besonderen Situation im Haus. Beste Freunde werden wir sowieso nie werden. Eines Nachmittags, als ich gerade erschöpft von der Arbeit komme, treffe ich sie im Vorgarten beim Blumengießen. Ich gehe auf sie zu, schaue ihr in die Augen und strecke ihr meine rechte Hand entgegen. Einige Sekunden vergehen. Etwas widerwillig streckt sie mir Ihre entgegen, verbunden mit den Worten: „Habe doch schon gesagt, das alles wieder in Ordnung ist.“ Das muss irgendwie an mir vorbeigegangen sein!

(M) eine Interpretation

„Der moderne Mensch ist sich selbst, seinen Mitmenschen und der Natur entfremdet“, schreibt Erich Fromm 1956 in seinem Klassiker „Kunst des Liebens“ . Für diese Aussage ist Ramona ein Beispiel par excellence. Abgeschnitten von ihrem Herz, von ihren Gefühlen und ihrer Herzlichkeit trägt sie ihre oberflächlichen Masken und spielt ihre internalisierten Rollen. Als Kind aufgewachsen unter Jungs (nach eigener Erzählung) definiert sie Ihren Selbstwert, ihre Selbstwahrnehmung über Härte, Strenge, Aggression, Neid, Besitzgier, Schlagfertigkeit und Kontrollausübung sich selbst und ihrer Umwelt gegenüber. Wie soll man von einem solch abgespaltenen, isolierten Individuum erwarten, dass es Mitgefühl für einen drei Tage lang eingesperrten Hund aufbringen soll? Es wäre auch möglich, dass sich Ramona der moralischen Tragweite ihrer Handlung durchaus bewusst war, aber auch nicht zugeben konnte, dass sie falsch gehandelt hatte. Möglicherweise hat sie ihren Frust oder die Spannung, die sich daraus ergab, auch auf mich projiziert.

Manch aufmerksamer Leser mag jetzt einwerfen, dass ich zu viel interpretiere oder gar unterstelle, was aber offenkundig nicht zutrifft. Ich versuche mich lediglich an das zu halten, was ich über die gesamte Zeit meines Aufenthaltes in diesem Haus beobachten und wahrnehmen konnte – und das fällt naturgemäß auf einen gewissen Interpretationshintergrund. Dazu zählt auch, dass immer, wenn ich Ramona sah, sie mit irgendwas beschäftigt war: entweder mit Rauchen, an einer Flasche Grafenwalderbier nippen oder dem Herumdrücken auf ihrem Smartphone oder Ipad. Das fortwährende Betäuben mit Rauschmitteln (Nikotin, Koffein und Alkohol) verbunden mit dem ständigen Hang nach Zerstreuung und Ablenkung durch Unterhaltungselektronik (Flat-Screen, Tabletts, Smartphones) ist ein signifikantes Merkmal unserer modernen Spaß- und Reizüberflutungsgesellschaft. „Des Menschen Glück besteht heute darin, seinen Spaß zu haben. Und man hat seinen Spaß, wenn man sich Gebrauchsgüter, Bilder, Essen, Trinken, Zigaretten, Menschen, Zeitschriften, Bücher und Filme „einverleibt“, indem man alles konsumiert, alles verschlingt. Die Welt ist nur noch da zur Befriedigung unseres Appetits, sie ist ein riesiger Apfel, eine riesige Flasche, eine riesige Brust, und wir sind die Säuglinge, die ewig auf etwas warten, ewig auf etwas hoffen und ewig enttäuscht werden.“ (E. Fromm, Die Kunst des Liebens, S. 99)

Aus meinen eigenen Erfahrungen, aus jahrelangen Beobachtungen meines Umfelds, aus der Lektüre einschlägiger Literatur komme ich heute zu der Überzeugung, dass moralische Verantwortung - überhaupt ein Gefühl der Verantwortung für sich und seinen Mitwelt - unmittelbar mit einer gewissen Charakterreife und einem davor stattgefundenen Wachstum zusammenhängen. Daraus resultiert auch die Fähigkeit, sich Konflikten zu stellen und der Versuch, diese konstruktiv zu lösen. Aus der Psychologie wissen wir, dass es zu einem konstruktiven Umgang mit Konflikten gehört, unter anderem ein Verständnis von Selbst- und Fremdwahrnehmung zu besitzen, sowie Empathie und Bereitschaft, die Ansichten der anderen Streitpartei zu verstehen. Des weiteren sagt uns die Forschung, dass der Grundstein für diese Kompetenzen in den frühen Entwicklungsjahren eines Kindes gelegt wird. Wenn man dies alles miteinbezieht, ist ein Mensch wie Ramona ein Resultat (oder Opfer) ihrer Erziehung und Prägung – was aber in den meisten Fällen dem Betreffenden nicht bewusst ist. Das meiste spielt sich eher unbewusst ab. Gleichzeitig soll dies in keinster Weise eine Entschuldigung für ein solches Verhalten sein allenfalls eine Erklärung. Jeder von uns hat die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln, zu wachsen, zum ganzen Menschen zu werden, Verantwortung für sein Handeln und Nicht-Handeln zu übernehmen. Und auch wenn ich das hier so vollmundig verkünde, möchte ich doch ganz klar betonen, dass dies in erster Linie auf mich selber zutrifft, ja mein ständiger Anspruch ist, den ich mal besser, mal schlechter erfülle.

Das verstehe ich unter Charakterreifung, einer inneren Entwicklung und ein Er-Wachsen werden, wie es in so vielen Klassikern der Weltgeschichte, Werken der Entwicklungspsychologie oder auch der Integralen Theorie nach Ken Wilber dargestellt wird - und wie ich es zum großen Teil aus meiner eigenen Biographie heraus erleben durfte. Ich glaube, dass dies eine der großen Herausforderungen eines Individuum in der Moderne und aufkommenden Postmoderne ist. Eine Wiedervereinigung von Gefühl und Ratio, Ich und Wir, von Glaube und Wissenschaft. Oder, um es abschließend mit den Worten Erich Fromms zu sagen: „ Die Fähigkeit zur Liebe hängt davon ab, ob es uns gelingt, unseren Narzißmus und die inzestuöse Bindung an die Mutter und die Sippe zu überwinden. Sie hängt von unserer Fähigkeit ab, zu wachsen und eine produktive Orientierung in unserer Beziehung zur Welt und zu uns selbst zu entwickeln. Dieser Prozess des sich Sichlösens, des Geborenwerdens, des Erwachens hat als unumgängliche Voraussetzung den Glauben. Die Praxis der Kunst des Liebens erfordert die Praxis des Glaubens.“ (Kunst des Liebens, S.133)