Mittwoch, 29. Februar 2012

Way of Living Tour: Weiter voran..


Die Way-of-Living - Radtour geht weiter! Nach drei Monaten Winterpause in der milden und wilden Mani, mit viel Sonne, Kraft und Inspiration, stehe ich nun wieder in den Startlöchern.

Lange habe ich überlegt, wie ich nach meiner Zeit hier auf der Mani, wieder nach Deutschland zurückkehren kann und wie ich der ganzen Tour einen runden und passenden Abschluss geben kann. In den ersten Wochen meines Aufenthaltes war die Variante mit dem Flugzeug nach Deutschland zurückzufliegen sehr präsent. Einfach aus rein finanziellen Gesichtspunkten ( es gibt Flüge ab 80€). Aber, dies wurde mir dann immer klarer, aus rein ökologischen Gründen wäre das kein passender Abschluss und würde die Tour in gewisser Weise ad absurdum führen, da sie ja stark mit dem Motto „Weniger-ist-mehr“ und einem minimalistischen Ansatz verbunden war und ist. Dann gab es eine Variante mit dem Firmen-LKW bis nach Deutschland mitzufahren, die sich dann aber auch zerschlagen hat.

So habe ich mich dann irgendwann entschieden diese Tour so zu beenden wie ich sie begonnen habe, mit dem Fahrrad! Vieles hat sich in den letzten 4 Monaten seit meiner Ankunft in Griechenland getan und verändert, persönlich, sowie in diesem Land das von einer tiefen Sinn- und Wirtschaftskrise erfasst ist. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist meine Reisekasse nach 2 Monaten des Reisens und 4 Monaten Aufenthaltes rapide zusammen geschmolzen, so dass nur noch ein kläglicher Rest vorhanden ist. Aus dieser Not möchte ich auf meiner Rückreise nun eine Tugend machen und mit diesen minimalen finanziellen Mitteln die rund 1.000 km von Venedig nach Frankfurt bestreiten.

Das Thema Geld beschäftigt mich schon sehr lange, nicht erst seit dem Beginn dieser Radtour. Es scheint so, dass es nicht nur mir so geht. Jeder ist wohl derzeit damit direkt oder indirekt beschäftigt. Ob ein Grieche, dessen Lohn von 700€ auf 500€ gekürzt worden ist oder ein deutscher Angestellter der sich um seine Ersparnisse Sorgen macht, dass Thema Geld, seine Macht, seine Verteilung und sein Erhalt, ist derzeit omnipräsent.

Und so kamen mir in den letzten 3 Monaten einige Gedanken zu diesem Thema. Wie damit umgehen, welche Energie hat dieses Zahlungsmittel? Und vor allem, gibt es Alternativen zum herrschenden Zins- und Schuldsystem? In diesem Zusammenhang und den Überlegungen für meine Rückreise, fielen mir zwei Bücher ein, die ich in den letzten Jahren gelesen hatte. Einmal Andreas Altmanns 34Tage, 33 Nächte: Von Paris nach Berlin und dann der Klassiker, der diesem Buch vorausging, Michael Holzachs Deutschland umsonst. Diesen beiden Bücher gaben den Ausschlag für die Idee und Konzeption meiner Rückreise nach Deutschland.

Zuerst ein paar „technische“ Daten und einen Überblick über die Route, bevor ich ein wenig auf die Hintergründe und die Umsetzung eingehe:

  • Geplanter Start: 09.03.12
  • Von Pirgos aus geht es mit dem LKW der Firma Bläuel nach Patras. Dort steige ich auf die Fähre Richtung Venedig, welches ich voraussichtlich am 11.03. erreichen werde.
  • Von Venedig aus geht es durch das Etschtal nach Bozen. Hier wartet dann der anstrengendste Part der ganzen Rückreise auf mich: die Alpen! Wenn es das Wetter, und meine hoffentlich wieder eingefahrenen Beine zulassen, möchte ich den Brennerpass (1.364m) mit dem Rad überqueren. Ansonsten Zug.
  • Nach dem Pass lasse ich es rollen bis nach Innsbruck. Ein Stück den Inntalradweg entlang, bevor diese auf die Via Bavarica Tyrolensis abzweigt. Dieser Radweg führt mich dann bis nach München.
  • Hier möchte ich 1-2 Tage bleiben, um zu regenerieren und um persönlichen Kontakt zu der örtlichen Occupy-Gruppe aufzunehmen. Je nachdem was sich daraus ergibt, setze ich meine Tour alleine fort, oder zusammen mit Leuten oder einer Aktion von Occupy. Kontakt und Ideen gibt es bereits.
  • Ab Regensburg folge ich dann der bekannten Route zurück bis nach Frankfurt am Main, wo ich dann hoffentlich wieder glücklich vor der Börse landen werde (Start/Ziel).

    Way of Living - Tour 2011/12 auf einer größeren Karte anzeigen

Hier nun einige Gedanken zur Umsetzung und Motivation für die Rückreise:

  • Mein Tagesbudget von ursprünglich 10€ wird auf 5€ gesenkt. Diese sollen auch nur verwendet werden, wenn es keine anderen, kostenfreien, Möglichkeiten für die Verpflegung gibt. Das dies möglich ist, und sogar noch viel weiter, nämlich einmal um die Welt, zeigen gerade zwei zwei junge Österreicher, die letztes Jahr im Oktober gestartet sind.
  • Dies bedeutet ich werde noch aktiver und gezielter nach kostenfreien Möglichkeiten der Lebensmittelbeschaffung Ausschau halten. Die jungen Weltenwanderer haben mit ihren Aufzeichnungen gezeigt, das dies möglich ist, insbesondere was auch den nächsten Punkt angeht.
  • Thema Wegwerfgesellschaft. Ich möchte bei Supermärkten nachfragen, die täglich mehrere Kilos an einwandfreien Lebensmitteln in Container stopfen, nur weil die Gurke eine Delle hat oder das Mindesthaltbarkeitsdatum um einen Tag abgelaufen ist. Dies werde ich vor allem in Österreich und Deutschland versuchen zu nutzen.
  • Dort gibt es auch ein breites Netz von „sozialen Einrichtungen“: Suppenküchen, Bahnhofsmissionen, Tafeln. Diese Einrichtungen sind auch ein positives Beispiel der Solidarität und was man mit Überfluss machen kann, da das meiste gespendet wird, anstatt es wie üblich wegzuschmeißen.
  • Das Thema Solidarität, Austausch und auf die Menschen zugehen nimmt einen noch grössen Stellenwert ein, als auf der Hinreise. Ich kann mich an Passagen aus den oben genannten Büchern erinnern. Die Autoren gingen ganz gezielt auf völlig fremde Menschen zu um nach einem Wurstbrot oder etwas zu trinken zu fragen, und entgegen der verbreiteten Meinung das verlangte sogar bekamen, meistens sogar noch viel mehr.
  • Insofern ist das ganze auch eine gewisse Gesellschaftsstudie, wie im Prinzip schon auf der Hinreise. Und zwar gerade jetzt, in Zeiten der Verunsicherung und Selbstkontraktion. Ich möchte herausfinden, ob in modernen und ansatzweise Postmodernen Nationen wie Österreich und Deutschland, in denen der Leistungsgedanke (Winner or Loser) als höchste Maxime gilt, und gleichzeitig ein ausgeprägtes Besitz- und Anspruchsdenken vorherrscht (mein Haus, mein Auto, meine Frau), ob in diesen Gesellschaften voller materiellen Reichtums und seelischer Leerheit, noch so etwas wie Altruismus, Solidarität und Mitgefühl für seine Mitmenschen (oder Reisende:-) vorhanden ist?!
  • Und wieder einmal meine eigenen Grenzen ausloten. Das Ganze soll nicht in einer Opfer und Mitleidstirade ausarten. Diesen Übergang zu finden wird nicht einfach werden! Wie mutig bin ich wirklich wenn ich mit hungrigen Magen dastehe? Wie weit gehe ich, inwieweit kann ich meine Scham und Hemmschwelle überwinden? Inwieweit kann ich unnötige Schuldgefühle verhindern bzw. damit umgehen? Theoretische Fragen, auf die es nur praktische Antworten geben kann. Aber auch genau so klar: immer im Bereich der Legalität. Einbrüche und Diebstähle, wie teilweise von dem Autor Holzach unternommen, wird es nicht geben! (das kam von dem strengen Vorsatz, keinen Cent auszugeben)
  • Und natürlich wieder ganz offen und wachsam sein, für alles um mich herum und in mir. Die Situationen ganz genau anschauen, von den Begegnungen und Schicksalen berichten. Aber auch von geschürtem Hass und Vorurteilen, derzeit insbesondere gegen Deutschland, in diesen Zeiten einer europäischen Staats- und Identitätskrise. Ich möchte den von der Occupy-Bewegung postulierten 99% begegnen, möchte herausfinden ob es wirklich die 99% sind, oder vielleicht doch nur 90% oder 95%, ob es wirklich nur an den 1% der Eliten , den rücksichtslosen Bankern, Politikern, Funktionären und Managern liegt, oder ob auch in der breiten Masse die Grundübel und Auslöser eines Raubtierkapitalismus zu finden sind: hemmungslose (Profit)Gier, Narzissmus und Gefühlslosigkeit??

Man sieht, ein gewagtes Unternehmen mit hohen (moralischen) Ansprüchen, an mich selbst und in gewisser Weise auch an andere. Was davon alles eintritt, ob das alles so verläuft wie ich es mir jetzt in meinem gemütlichen Häuschen ausdenke, ob ich mir zu viel einbilde, all dies wird sich zeigen. Darauf habe ich keinen Einfluss. Worauf ich aber Einfluss habe ist meine Einstellung. Und so gehe ich es erneut an, wie vor 6 Monaten, eine Reise mit vielen Unbekannten und Variablen, mit nichts in der Hand, ausser einem Fünkchen Hoffnung und einem vagen Gefühl für Offenheit, Vertrauen und Führung. Und genau das macht das Reisen für mich aus, das täglich Neue, Unvorhergesehene, Überraschende. Vibrierend stehe ich in den Startlöchern, die Vorfreude ist da, die Spannung auch, es geht wieder los, auf in ein neues Abenteuer, mit Höhen und Tiefen und einem unbekannten Ausgang.
"Wir müssen unser Dasein so weit, als es irgend geht, annehmen; alles, auch das Unerhörte, muss darin möglich sein. Das ist im Grunde der einzige Mut, den man von uns verlangt: mutig zu sein zu dem Seltsamsten, Wunderlichsten und Unaufklärbarsten, das uns begegnen kann."
Rainer Maria Rilke

Dienstag, 21. Februar 2012

Griechenland im Jahr 2012 oder weiter wie bisher?

Ergebnis der Umfrage auf dem Blog:" Was verbindest du persönlich mit 2012?"

82% (27 Stimmen): Nichts besonderes. Ein Jahr wie jedes andere auch.
18% (6 Stimmen): Veränderungen, Umbrüche, Neuanfänge.

Das ist eindeutig! Vielen Dank an alle, die sich an der Umfrage beteiligt haben.

Die grosse Mehrheit verbindet also mit diesem Jahr nichts besonderes. Ein Jahr wie jedes andere halt, weiter wie bisher. Auch wenn ich keine Stimme abgegeben habe, meine Meinung dazu sollte bekannt sein: Ich glaube das nicht. Oder anders: Ich möchte gar nicht, dass alles so weiter geht wie bisher!

Diesen Standpunkt habe ich in vergangenen Posts schon ausführlich dargelegt. Und warum gerade jetzt die Zeit dafür ist. In den letzten Wochen wurde dieser durch die Integrale (ganzheitliche) Sichtweite erweitert und gewährt mir dadurch eine ganz neue Sicht auf die Probleme der europäischen Schuldenkrise im Allgemeinen und die in Griechenland im Speziellen.Hier in Griechenland kann man von allem anderen sprechen, als von weiter wie bisher. Hier sieht die Situation ganz anders aus. Ich bin nun seit gut 3 Monaten im Land, habe mit ganz unterschiedlichen Leuten gesprochen und glaube dadurch ein breites Meinungs- und Stimmungsbild gewonnen zu haben.

Ein paar Fakten. Die deutschsprachige Griechenlandzeitung berichtet von tiefer Resignation und Hoffnungslosigkeit bei den Menschen in Athen. Die Arbeitslosenquote ist auf über 20% hochgeschossen. Besonders betroffen sind die Jugendlichen. Dort herrscht null Zukunftsperspektive und völlige Lethargie, die irgendwo ein Ventil sucht, bei manchen in Gewalt. Die Selbstmordrate ist stark angestiegen, zwar im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch gering (wie z. B. Deutschland), aber trotzdem für dieses Land der Freude und Leichtigkeit ein Alarmsignal.

Für Griechenland waren die letzten beiden Jahren schon nicht wie jedes andere, und dieses gerade begonnene, wird es bestimmt auch nicht. Die Leute werden ausgepresst wie eine Zitrone, es mehren sich die Stimmen das die Bevölkerung kurz vor einer Revolution steht. Was das bedeutet, konnte man vor 2 Wochen nach der Verabschiedung des letzten Sparpaketes sehen, als in Athen über 50 Häuser brannten. Auch das ein Ausdruck von tiefer Hilf- und Hoffnungslosigkeit, die sich dann in Wut und Aggression entlädt. Das ist wirklich nicht schön mit anzusehen, auch wenn ich hier in der "sicheren" Mani sitze und das alles aus der Presse entnehme. Athen ist 290 km von hier entfernt und nicht über 3.000 km wie von Deutschland aus. Das läßt die Situation näher rücken, wenigstens mental, und gibt einem zu denken.

Am Sonntag, während einer Müllsäuberungsaktion am hiesigen Badestrand, an der sich viele europäische Immigranten die hier leben, beteiligt haben, lernte ich ein Ehepaar aus Deutschland kennen, dass hier seit 2 Jahren lebt. Er ist gebürtiger Grieche, Sie eine Bayerin. Beide lebten 30 Jahre in Deutschland. All die fleißigen Helfer für den Umweltschutz waren nach getaner Arbeit, zu Kaffee und Kuchen in Ihr Haus eingeladen. Eine andere Deutsche und Ich blieben dann sogar noch zum Abendessen, und so hatten wir genügend Zeit über Griechenland und die aktuelle Situation zu reden.

Wieder einmal war es sehr interessant, von den Hintergründen und Ursachen dieser nun  drohenden Eskalation der Krise zu erfahren. Relativ schnell wurde klar, es ist ein schleichender Prozess der seit Jahren andauert, und tief mit der Kultur und Mentalität des griechischen Volkes verbunden ist. Ich möchte jetzt auf keine Einzelheiten eingehen, da dies den Umfang dieses Post sprengen würde, aber einmal mehr wurde mir klar, es herrscht eine jahrzehntelange Tradition des Misstrauens gegenüber der Politik und auch unter den Menschen, eine Klientel- und Vetternwirtschaft die alle gesellschaftlichen Bereiche durchzieht und tief im kulturellen Bewußtsein verankert ist. Es geht mir hier nicht um ein Recht oder Unrecht, es geht um ein Verstehen des kulturellen Hintergrundes.

Diese Auffassung und Mentalität scheint fest in den Köpfen der Menschen zu sein, durchzieht alle Gesellschaftsschichten, angefangen vom Spitzenpolitiker, über den Arzt bis zum einfachen Olivenbauern. Und nun kommen die Technokraten aus Brüssel und wollen hier Strukturen und Maßnahmen durchsetzen, und zwar so schnell wie möglich, die in einem modernen Land wie z. B. Deutschland vorhanden sind. Das kann aber nicht funktionieren, da hier der größte Teil der Gesellschaft noch nicht in der Moderne angekommen ist, sondern sich noch in der Prämodernen befindet. Das will natürlich keiner hören, und der Aufschrei wegen Diskriminierung und Ausgrenzung ist gleich riesen groß. Aber darum geht es ja gar nicht, sondern um ein verstehen, warum es zu so vielen Problemen mit der EU kommt und vor allem, warum die Bevölkerung nicht versteht was da verlangt wird, und umgekehrt, die EU-Politiker nicht verstehen, warum immer drastischere Sparmaßnahmen, Regeln und Kürzungen, das Volk immer mehr auf die Strasse und in die Aggression treibt. Hier prallen einfach zwei völlig verschiedene Entwicklungsebenen aufeinander, nämlich die mytisch-agrarische in Form von Griechenland, auf die rational-leistungsorientierte in Form von Deutschland (oder anderen Industriestaaten).
Auch am Sonntag gab es wieder eine lebhafte Diskussion und Kontroversen, über die Ursachen, Probleme, wer Schuld hat und wer nicht. Am Ende kamen wir aber zu keiner Lösung. Ich persönlich glaube auch, das Schuld das falsche Wort ist. Verständnis für unterschiedliche Entwicklungsebenen ist das Passendere. Nur fehlt das komplett bei den entsprechenden Entscheidungsträgern auf allen Seiten. Mir war und ist es nach wie vor zu einfach, mit dem Finger auf "die da oben " zu zeigen. Das soll nicht heissen das dort "oben" alles richtig läuft. Mir wird aber nun immer bewußter, das es von großter Bedeutung ist, den Versuch zu unternehmen, einen objektiven Blick von aussen auf das ganze Geschehen zu werfen, um dann zu erkennen, das es ist vielmehr ein Problem von kulturellen und bewußtseinsmäßigen Unterschieden ist, als es nur auf die Gier und Korruption von einzelnen Bankern und Politikern zu schieben.

Es gibt Abstufungen in der Entwicklung, bei jedem einzelnen, sowie auf gesellschaftlicher/kultureller Ebene, was in den letzten Jahren intensiv erforscht wurde. Wenn man das einmal verstanden und anerkannt hat, und sich nicht gleich über Diskrimierung empört, wird vieles verständlicher, was derzeit zwischen Griechenland und der EU läuft. Die nun aufkeimenden und sich verstärkenden Proteste und Bewegungen sind alle sehr lobenswert, nur sollten man sich darüber im klaren sein, gegen was man protestiert und vor allem, was man verändern will? Nach allem was man so hört, wollen die Protestierer in Athen in der EU bleiben, aber gleichzeitig, soll alles so weitergehen wie bisher. Wenn man aber jetzt die Entwicklungsebenen im Hinterkopf behält, kann dies nicht funktionieren, da Griechenland sich mit seiner Klientel- und Vetternwirtschaft, die in ALLEN Schichten verbreitet ist, auf einer entwicklungstechnisch prämodernen Ebene befindet, und die EU sich mit solchen Industrienationen wie Deutschland oder Frankreich auf einer modernen Ebene befindet, deren wesentlichstes Merkmal Fairness und Gleichberechtigung ist, also genau das Gegenteil einer Vetternwirtschaft, wo ja nur die eigenen Verwandten und Gönner bevorzugt werden. Noch mal, dies ist keine Herabsetzung, sondern eine natürliche Entwicklung, die es so schon immer in der Menschheitsgeschichte gab. Und gleichzeitig ist dies die Chance für Griechenland, sich weiterzuentwickeln, gesellschaftlich wie individuell, auf den Sprung in die Moderne, mit all ihren Vorteilen aber auch Nachteilen, wie auf jeder Ebene.

Weil, dass sei hier auch ganz klar gesagt, das eben Gesagte heisst nicht, dass in einem modernen Land wie Deutschland alles richtig läuft. Die Auswüchse dieser Entwicklungsstufe erleben wir gerade weltweit in den grossen Industrienationen: hemmungslose Gier nach Profit und Gewinn, verbunden mit einem überbordenden Narzissmus einzelner Leute in Macht- und Führungspositionen und der damit verbundenen "Sozialisierung" der Verluste auf die unteren Einkommensschichten. Deshalb sind Bewegungen wie Occupy, Attac und andere nun so wichtig, da sie der Fratze des Raubtierkapitalismus einen Spiegel vorhalten und somit die ersten Schritte in Richtung Postmoderne gehen, die in Zügen in Deutschland schon vorhanden ist, aber nicht auf breiter Front.

Nach all dem was ich in den letzten 3 Monaten erlebt, erfahren und gelernt habe, gibt es keine leichten Lösungen für diese Art von komplexen Problemen. Zumindest nicht die, die momentan von der Politik propagiert werden, da sie, nach dem eben gesagten, an der Wurzel des Problems vorbeigehen. Es kann meiner Meinung nach nur in die Richtung gehen, eine ganzheitliche Lösung zu finden, die allen vorherigen Stufen berücksichtigt und miteinschließt. Das wäre dann eine Transformation im klassischen Sinne, das vorherige umschliessen, transzendieren und daraus etwas völlig neues kreieren.

Das wäre dann ein Umbruch, ein Neuanfang, eine Veränderung zu etwas nächst höherem, eine (R) Evolution im wahrsten Sinne des Wortes. Ich glaube die nächsten Monaten werden uns dazu eine Antwort geben.

Update 29.2.12: Das was ich vor einer Woche über die Ursachen und kulturellen Gründe der Krise geschildert habe, wird heute durch einen Zeitungsartikel in der Griechenlandzeitung von einem griechischem Philosophen und Schriftsteller bestätigt. 

Montag, 6. Februar 2012

Warum ich Vegetarier bin

Update:

Gerade fand ich einen Link, der wie die Faust aufs Auge zu meinem gestrigen Artikel paßt. Ein weiterer Grund, auf den Verzehr von Fleisch zu verzichten, oder wenigstens stark einzuschränken:
Massentierhaltung und Antibiotikaresistenz


Dieses Thema liegt mir auch schon lange auf dem Herzen, bzw. im Magen. Seit gut einem Jahr bezeichne ich mich als Vegetarier. Die zwei Monate in Indien, in denen ich viele Vegetarier und Veganer (völliger Verzicht auf tierische Produkte) kennenlernte, gaben mir den entscheidenden Impuls und öffneten mir noch mehr die Augen. Das heißt, seit dem esse ich auch keinen Fisch mehr, oder wenn nur ganz selten, in dem einen Jahr vielleicht drei mal und auch nur weil ich eingeladen wurde. Vor der Indienzeit gehörte Fisch noch auf meinen wöchentlichen Speiseplan.

Heute möchte ich von meiner Entwicklung erzählen, von einem überzeugten Fleischesser zu einem bewußten Vegetarier. Man kann sagen, ich bin mit Fleisch groß geworden. In meinem Elternhaus gehörte Fleisch auf den Tisch, und zwar fast täglich. Gulasch, Bratwurst, Schnitzel und Sonntags der eingelegte Sauerbraten. Ich kann nicht behaupten, daß mir dies nicht geschmeckt hat. Im Gegenteil, ich aß sehr gerne ein schönes Jägerschnitzel mit Pommes und Salat. Auch wenn mir heute jemand ein Schnitzel hinstellen würde, ich würde es wahrscheinlich verspeisen. Es würde mir nach wie vor schmecken und ich müßte es nicht qualvoll herunter würgen. Um den Geschmack von Fleisch kann es also bei mir nicht gehen.

Nein, es geht um andere Gründe. Und um die zu beleuchten, muss ich ein wenig ausholen. Vor Jahren fielen mir die ersten Bücher über Ernährung in die Hände. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt nach wie vor, ein bis zweimal in der Woche, Fleisch auf den Speiseplan zu haben. Es gibt unzählige Studien zum Thema Fleischkonsum. Die einen halten es für gesundheitlich völlig unbedenklich -  die Menge und die Häufigkeit des Verzehrs machen es aus. Neuere Studien raten nun grundsätzlich von Fleischverzehr ab, wegen des erhöhten Risikos an Gicht, Darmkrebs, Herz-Kreislauferkrankungen, Alzheimer und der Adipositas (Fettleibigkeit) zu erkranken. Umso mehr ich mich damit beschäftigte, umso mehr dachte ich über meinen Fleischkonsum und die Auswirkungen auf den Körper nach. Da ich seit über 15 Jahren jogge, war ich davon überzeugt, dass ich nicht ganz auf Fleisch verzichten konnte, wegen dem Bedarf an tierischem Eiweiß, das bekanntlich wichtig ist zum Aufbau von Muskeln (wiederum aber auch nicht so wichtig, wie uns die Fleischindustrie weiß machen will). Also fing ich vor ca. 3 Jahre an, mein Essverhalten langsam umzustellen. Zuerst verzichtete ich komplett auf Schweinefleisch, auch wenn ich damit Tschüss zu meinem geliebten Schnitzel sagen musste. Ich aß ab und an Rindfleisch, aber vor allem Geflügel. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass dies besonders gut für Sportler sein sollte.

Eines Tages ging ich in die Videothek und stieß auf den Film "We feed the world". Ich lieh ihn mir aus und schauten ihn mir zuhause an. Als der Abspann lief, stand mir das Entsetzen im Gesicht. Ich beschloss auf jegliches Fleisch zu verzichten. Die Bilder von Rindern, Hühnern und Schweine aus der Massentierhaltung - und deren Schlachtung - schockierten mich zutiefst. Vor allem öffnete mir der Film die Augen für den Kreislauf und den Zusammenhang von Massentierhaltung, Pharmaindustrie (als Schutz vor Krankheiten werden die Tiere vollgepumpt mit Antibiotika und anderen Mitteln) und der Abholzung tausender Quadratkilometer Regenwald in Schwellenländern, wie Brasilien. Das alles nur, um mit gentechnisch veränderten Saatgut, riesige Felder mit Sojapflanzen anzulegen, die dann ausschließlich für die Fütterung von Nutztieren verwendet werden .

Da ich nach wie vor als ambitionierter Läufer nicht ganz auf Eiweiß verzichten wollte, aß ich von da an nur noch Fisch. Diese letzte Bastion fiel in Indien, als ich mich mit langjährigen Vegetariern unterhielt und sie mir eindrücklich von der Überfischung der Meere erzählten. Im Grunde genau das gleiche Prinzip wie bei der konventionellen Haltung von Nutztieren. Außerdem sei man kein Vegetarier, wenn man noch Fisch esse.

Bei der Darlegung der Beweggründe für meine Umstellung legte ich bisher den Schwerpunkt auf den gesundheitlichen und ethischen Aspekt. So erwiderte ich in der Vergangenheit bei diversen Grillpartys, wo ich von überzeugten Fleischessern gefragte wurde, warum ich denn kein Fleisch essen würde: „Es gibt mehrere Gründe“ und fing dann an aufzuzählen, was es für Auswirkungen auf den Körper und das Weltklima hat. Dies hat sich nun seit einiger Zeit geändert, was nicht heisst, das die anderen Gründe unwichtig wurden. Würde mich aber heute jemand fragen, warum ich Vegetarier bin, würde ich nur noch mit zwei Worten antworten: Aus Mitgefühl!

Dies ist ganz einfach. Ich würde zuerst mal die Person fragen, ob Sie ein Haustier hat, sagen wir an, einen Hund. Dann würde ich Sie fragen, ob Sie sich vorstellen könnte, dem Tier in die Augen zu schauen, und ihm dabei ein Messer in die Kehle zu rammen. Ich glaube, die Empörung wäre relativ groß: „Nein, wie kannst du nur fragen, das würde ich nie tun!" Genau da liegt der Kasus Knaxus. Wir halten uns für die Krone der Schöpfung. Wir wollen nicht mit unseren nächsten Verwandten, den Primaten verglichen werden, geschweige denn, mit einem Rind, einem Hund oder einem Schwein. Wir haben ja unsere Vernunft, wie haben ein Bewußtsein, wir können links von rechts unterscheiden und vieles mehr. All das sprechen wir den Tieren ab, weil wir ja über ihnen stehen, und bitte schon gar nicht neben ihnen. Am allermeisten sprechen wir ihnen ein Bewußtsein ab, was einhergeht mit der Fähigkeit Freude, Leid und Schmerz zu empfinden.

Aber nun wird es interessant. Unserem alles geliebten Haustier, dem Hund, die Katze, ja es gibt sogar Leute, die halten sich ein Hausschwein, dem sprechen wir diese Fähigkeit nicht ab. Wir umsorgen es, füttern es, streicheln es. Nach einiger Zeit haben wir eine so enge Verbindung zu dem Tier aufgebaut, dass wir sofort merken, wenn es ihm schlecht geht. Und irgendwann bemerken wir sogar, das es nicht nur uns so geht, sondern das das Tier ebenso merkt, wenn uns  etwas fehlt, oder wir einfach jemanden zum anschmiegen brauchen. Kurz: wir haben eine Beziehung zu dem Tier aufgebaut.
Und jetzt möchte ich eine Frage stellen: Wie in alles in der Welt kommen wir bitte darauf, dass es einem quiekenden Schwein, dem gerade das Bolzenschussgerät an den Kopf gehalten wird, anders ergeht, als unserem geliebten Haustier daheim??

Die Antwort:Wir kommen darauf, weil wir keinen Bezug mehr haben zu dem, was wir essen. Anders gesagt: uns fehlt das Bewußtsein für das, was wir gerade essen, nämlich ein Lebewesen das frei von Schmerz und Angst leben möchte, also genauso, wie wir es uns als Menschen untereinander zusprechen, und sogar unserem geliebtem Haustier. Das formverpackte Schnitzel im Kühlregal kann uns nicht mehr anschauen. Zwei Stunden zuvor schaute der Metzger dem Schwein in die Augen, als er ihm einen Bolzen in den Schädel schoss. Aber das sehen wir nicht mehr in unserer modernen Welt. Wir sehen unseren Genuß, "mhh, mir schmeckt das,warum soll ich darauf verzichten?" Der Blogger Martin Bartonitz hat dies in einem Artikel auf seinen Blog sehr schön aufgezeigt.

Wenn mich also das nächste Mal jemand verwundert fragt: "Warum isst du denn kein Fleisch?", ist die viel spannendere Frage: "Warum isst du Fleisch??!"Nach den üblichen Erklärungen, würde ich dann gerne mit dem- oder derjenigen eine Wette eingehen: Wir gehen einen Tag zusammen in eine Schlachterei und schauen uns den Ablauf dort genau an. Wenn du danach noch Hunger auf ein Schnitzel hast, lade ich dich ein, wenn nicht, lädst du mich zu einem vegetarischen Menü ein! Massentierhaltung ist die extremste Form, biologische Tierhaltung die Mildere, die Artgerechtere, wie es so schön heißt. Im Grunde ist es aber egal: Lebewesen bleibt Lebewesen!

Die Anfangsfrage, warum ich Vegetarier bin, lässt sich nach diesen Ausführungen nun wie folgt beantworten: Weil ich Mitgefühl für alle empfindungsfähigen Wesen habe! Man könnte auch sagen: Für alles was zwei Augen hat. Kann man sich das vorstellen? Auch das schöne Filet im Supermarkt hatte mal zwei Augen! Für mich ist es eine Frage der Bewußtseinserweiterung, die Mitgefühl entstehen läßt. Und diesbezüglich kann ich nur aus vollstem Herzen hoffen, das sich diese Erweiterung nun beschleunigt und immer weiter ausbreitet, so dass wir in einigen Jahren ganz selbstverständlich sagen werden: „Kannst du dir das vorstellen, die haben früher massenweise Tiere getötet um deren Fleisch zu essen, was waren das nur für Menschen!“


Sonntag, 5. Februar 2012

Am Grab von Bruce Chatwin

Es hat mich drei Anläufe gekostet. Doch heute war es nun soweit. Ich stand an dem Ort, wo die Asche des berühmten Reiseautors Bruce Chatwin begraben liegt. Ein toller Moment.

Zur Vorgeschichte. Schon im Jahr 2010, als ich zum Schreibseminar hier war, erfuhr ich, dass der Reiseschriftsteller Patrick Leigh Fermor in Kardamily lebt, nur 10 km von unserem Seminarzentrum entfernt, in einem wunderschönen, traditionellen Steinhaus direkt am Meer. Ich muss gestehen, bis dahin war mir Fermor nicht weiter bekannt. Erst im Laufe des Workshops, erfuhr ich von anderen Teilnehmern, dass Fermor zu der ersten Generation der Reiseschriftsteller gehört, und gleichzeitig zu den Besten seiner Zunft. Seine Bücher sind echte Klassiker der Reiseliteratur und haben viele nach ihm inspiriert. Mit 18 zog er von  London aus los, mit leichtem Gepäck und wenig Geld, zu seiner Reise quer durch Europa der 30er Jahre, mit dem Ziel Konstantinopel. Aus seinen Erinnerungen und Tagebuchaufzeichnungen entstanden viele Jahre nach seiner Rückkehr zwei Bücher: "Die Zeit der Gaben" (das ich gerade lese) und " Zwischen Wäldern und Wasser". Später schrieb er noch diverse Bücher, zum Beispiel über seine Wahlheimat hier auf den Peloponnes, die Mani, aber seine ersten beiden Bücher, sind die bekanntesten und machten ihn gleich berühmt.

Seine Bücher und  wortgewaltigen Erzählungen inspirierten viele Autoren und Schriftsteller nach ihm, so auch den jungen Reiseautor Bruce Chatwin, der später einmal selbst zu den Großen in seinem Genre zählen sollte. Fermor war für Chatwin das grosse Vorbild, und insgeheim beneidete er ihn, für seinen umfassende literaische Bildung und seine präzise Sprache. Beide waren Engländer und wurden bald Freunde.
Irgendwann vor einigen Monaten, lass ich in einer Zeitschrift, dass Chatwins Asche in der Nähe von Kardamily begraben liegt. Wenige Tage nachdem ich hier war, erinnerte ich mich daran, und begann meine Recherchen im Internet. So fand ich heraus, das Chatwin regelmäßig seinen Freund Paddy Fermor hier in Kardamily besuchte. Morgens ging er in die Bucht zum surfen, arbeitete dann bis Nachmittags und anschließend machte er mit seinen Freund ausgiebige Wanderungen im Taygetos- Gebirge, oberhalb von Kardamily. Bei einer diese Wanderungen kamen sie an einem atemberaubend schönen Platz, mit einer alten byzanntischen Kapelle. Von dort aus hatten sie einen umwerfenden Blick aufs Meer und die angrenzenden Berge. Der weitgereiste Chatwin fand diese Stelle so wunderbar, dass er in seinem Testamtent verfügte, hier oben begraben zu werden. Als Chatwin dann schon sehr früh verstarb, 1989 , erfüllte ihm sein Freund Paddy Fermor diesen Wunsch.

Das kann man alles nachlesen, unter anderem in zwei Artikeln von Reiseautoren aus der jüngeren Zeit, die auch dieser Geschichte nachgingen und die Kapelle ausfindig machten. Es ist ja kein richtiges Grab in dem Sinne, dass dort ein Grabstein steht, oder eine Inschrift. Und da es hier in den Hängen und Bergen, Kapellen und Kirchen, wie Sand am Meer gibt, war es nicht einfach, die Richtige zu finden. Das galt für mich, wie wahrscheinlich für die beiden Autoren auch.

Ich stütze mich auf deren Angaben und begab mich vor rund 3 Wochen das erste Mal auf die Suche. Mit einer hier lebenden Schweizerinn fuhr ich zu einem abgelegenen Dorf, weit oben in den Bergen, dessen Name in einem der beiden Artikel erwähnt wurde. Und stiessen damit gleich auf ein weiteres Problem. Hier in Griechenland ist es üblich, das Dorfnamen mehrfach für Ortschaften vergeben werden. Die Bedeutung dieses Dorfnamens, war einfach nur "oberes Dorf " und davon gibt es wahrscheinlich einige in Griechenland. Das fanden wir aber erst nach unserer Rückkehr heraus. Natürlich frugen wir uns durch, da wir auch einen Namen der Kapelle hatten und standen dann auch vor der, mit einem trügerischen Gefühl von Sicherheit, das ist sie. Der Name der Kapelle sollte "Agios Nikolaus" sein, was "Heiliger Nikolaus" bedeutet. Kapellen mit diesen Namen gibt es hier wahrscheinlich noch öfter, als Dörfer mit gleichen Namen. Also war dies eine schöne Wanderung in den Olivenhängen, aber mehr nicht.

Eine Woche später, beim zweiten Anlauf kam ich der Sache schon näher, wenigstens geografisch. Diesmal ging ich an einem freien Sonntag alleine auf die Suche. Sicher war nun, es muss direkt oberhalb von Karadamily sein, in den Bergen mit einem freien und weiten Ausblick aufs Meer. Ich fuhr hoch in das Dorf Agia Sofia. Dort gibt es eine bekannte Kirche auf einem Plateau, welche die Attribute, Ruhig, Ausblick, alt, Steinmauer herum, erfüllte, von der ich aber aus den Artikeln wusste, dass es sie mit Sicherheit nicht ist. Von hier aus, soll es  nocheinmal 1 Std. zu Fuss zu der vermeintlichen Stelle sein. Ich wanderte ein wenig herum, schaute nach versteckten Kapellen, fand aber nichts, und hatte irgendwann keine Lust mehr.


Letzte Woche bekam ich dann den entscheidenden Hinweis. Eigentlich hatte ich die Sache schon abgehakt. Meine Nachbarin Barbara lud mich zu einem kleinen Ausflug ein. Ausgerechnet nach Agia Sofia zu einer Deutschen die dort ein Haus hat. Als wir dann auf der Terrasse in der Sonne bei Tee und Kekse sassen, sprach ich das Thema an. Ein letzter Versuch. Marion, die hier seit Jahren lebt, muss doch von dieser Geschichte schon mal gehört haben?! Und ja, so war es. Sie wusste sofort Bescheid, und meinte, die Kapelle sei nicht weit von hier. Und dies wäre 100% die Richtige. Im Sommer kommen hier immer wieder einmal Deutsche vorbei, die nach dem Weg fragen. Bingo. Sie erklärte mir den Weg. Leider war an dem Tag nicht mehr genügend Zeit für eine Expedition. Aber eins war klar, ich werde es ein letztes Mal versuchen.

Und dieser letzte Versuch fand heute statt. Ich fuhr mit dem Pick-Up rauf nach Agia Sofia. Kurz vor dem Dorf parkte ich. Ich folgte der Beschreibung von Marion. Ja tatsächlich, es gibt einen aspahltierten Weg. Gespannt und mit schnellem Schrittes schriet ich voran. Da, links, eine kleine Kapelle. Genau wie es Marion mir erklärt hat, man stößt auf eine Kapelle, die ist es aber noch nicht, man muss weiter. Ich folgte weiter dem Weg. Nun wird es wieder steinig, und steiler. Links und rechts säumen Olivenbäume den Weg. Es geht immer weiter nach oben. Je höher man kommt, desto schöner wird der Ausblick. Ja das könnte es sein, ich bin auf der richtigen Fährte. Gierig schaue ich nach oben, nach rechts und links, mit der Hoffnung endliche eine Spitze von einem Kreuz zu sehen. Dann, nach ungefähr 20 Minuten marschierens von der ersten Kapelle, sehe ich links über mir eine weitere. Eine Ältere wie mir sofort ins Auge fällt. Ein weisses Holzkreuz thront auf dem Gibel. Das muss sie sein! Als ich fünf Minuten später vor der kleinen Holztür stehe, mich umdrehe, und aufs Meer schaue, habe ich keine Zweifel mehr: hier oben wurde Bruce Chatwins Asche begraben. Was für ein Ausblick, auch jetzt, wo es stark bewölkt ist. Was für eine Ruhe. Sonnenstrahlen reflektieren auf dem Meer. Rechts sieht man die Hänge des Gebirges. Unter mir die Umrisse von Agia Sofia und noch weiter unten die von Kardamily.

Zwar stark bewölkt, aber trotzdem atemberaubend


Nun kann ich verstehen warum Bruce Chatwin, der überall auf der Welt war, alle Kontinente bereist hat, sich diesen Platz als seine letzte Ruhestelle ausgesucht hat. Lange kann ich nicht verweilen und schwelgen, es fängt an zu regnen. Und wie, Hagel mischt sich mit dem Starkregen. Es gibt hier nichts zum unterstellen, ausser, hinter mir die Kapelle. Die Holztür ist angelehnt. Zögernd, mit einem lauten Knarren, öffne ich langsam die Tür. Bei solchen Aktionen habe ich immer die Befürchtung hinter der Tür verbirgt sich etwas, etwas das ich jetzt aufschrecke, eine kläffende Bestie, eine Schlange oder auch nur einen Bergeremit. Es regnet so stark, das mir die Entscheidung leicht gemacht wird. Ich trete in die alten Gemäuer ein. Heiligenbilder hängen an der Wand, Kerzenhalter, ein Ständer, hier kommen offensichtlich immer wieder mal Menschen vorbei. Ich schliesse ein wenig die Tür, aber nicht ganz, sonst ist es duster. Nach 10 Minuten ist der Schauer vorbei, und ich begebe mich auf den Rückweg, bevor es wieder anfängt.

Die Asche wurde in der Nähe unter einem Olivenbaum vergraben.

Ruhe sanft, weitgereister Nomade....