Samstag, 28. April 2012

Out of office...

Oder einfach keine Zeit in den letzten Wochen! Ein grosses Sorry an alle meine Stammleser.  Arbeiten, Behördengänge, Umziehen. Das alles, und noch mehr, lag an in den letzten Tagen. Deshalb ist der Blog ein wenig zu kurz gekommen.

Das wird sich in den nächsten Tagen ändern. Wenn ich nun den Kopf wieder freier habe und mehr zeitlicher Freiraum zur Verfügung steht, werde ich mich mit Hochdruck an die letzten Berichte von der Radtour machen. Und einigen anderen Themen.

Also, ihr könnt gespannt sein, keep on watching...

Dienstag, 10. April 2012

Frostige Nächte und herzliche Begegnungen

Münchener Tage

Nach meinem Aufenthalt bei dem Warmshowers-Kontakt in München fuhr ich am dritten Tag nach Maisach-Germerswang zu meinen nächsten Gastgebern, die mich freundlicherweise für weitere zwei Tage aufnahmen. Auf dem Radweg traf ich auf eine junge Frau mit blonden Haaren und schickem Rennrad. Wir wollten beide Richtung Fürstenfeldbruck, aber nicht über die vielbefahrene Bundestrasse. Sie kannte sich ein wenig aus und so fuhren wir zusammen die 10 km bis kurz vor Fürstenfeldbruck. Natürlich fragte sie gleich nach meinem vollbepacktem Fahrrad, wo ich herkomme, wieviel Kilo Gepäck, der übliche Small Talk halt, wie so oft in den letzten Monaten. Aber ich mache das immer wieder gerne, auch ich tausche mich gerne aus, bin neugierig, stelle Fragen. Vor rund 2 Jahren, als ich noch ein absolutes "Greenhorn" in Sachen Tourenradler war, fragte ich diverse Weltumradler per email und am Telefon Löcher in den Bauch. Heute gebe ich gerne etwas von meinen gewonnenen Erfahrungen ab und freue mich immer, wenn ich weiterhelfen oder inspirieren kann. Am Ende verabschiedeten wir uns, ohne die Namen voneinander zu erfahren haben, etwas, was mir während der Tour sehr oft passierte. Sie erwähnte noch, dass sie im Sommer vor hat, mit dem Mountainbike eine Alpenüberquerung zu machen, 10.000 Höhenmeter in wenigen Tagen. Respekt. Ich gab ihr meine Blogadresse und wünschte Ihr für Ihr Vorhaben alles Gute.

Nachtrag: Carolin, so der Name der jungen Radlerin, hat sich mittlerweile per email bei mir gemeldet. Sie bedankte sich für diese kurze Begegnung, die sie sehr inspiriert hat. Sie war sich noch nicht ganz sicher, ob Sie die Transalptour wirklich machen sollte, leise Zweifel und Ängste mischten noch mit. Unser Gespräch hätte ihr den entscheidenden Impuls gegeben. Außerdem fand Sie meine Reiseerzählungen so spannend, dass Sie nach ihrem Studium eine einjährige Auszeit nehmen will, um mit dem Rad die Welt zu erkunden.
Ich kann das nur begrüssen und wünsche Ihr eine spannende und erfahrungsreiche Zeit.

Michael und Petra aus Maisach


An einem Samstag und dem 13. Tag dieser Rückreise, verliess ich nach 4 Tagen am späten Nachmittag die heimliche Hauptstadt an der Isar, im leichten Nieselregen und mit vielen neuen Eindrücken im Herzen. Hinter mir lag ein spannender und schöner Tag mit einer alten Bekannten, einer mittlerweile zu einer guten Freundin gewordenen Reisebekanntschaft. Wir lernten uns vor über einem Jahr in Indien kennen. Nach wenigen Kilometern schlug ich mein Zelt in der Nähe von Unterföhring auf. Auf einer Wiese neben einer kleinen Kappelle. Eine der kältesten Nächte der ganzen Tour wartete auf mich.

Tag 14: Unterföhring - Ingolstadt

Am Morgen war gefrorener Raureif auf meinem Zelt. In der Nacht waren es bestimmt einige Grad unter Null und der Schlafsack kam in seinen Grenzbereich. Aber nicht meine Stimmung. Ich war nachwievor voller Elan und Tatkraft. In einer halben Stunde war mein Lager abgebaut und um 8 Uhr sass ich schon auf dem Rad. Da mir der "Warmshowers-Kontakt" in Ingolstadt kurzfristig absagte, schlug ich kurz vor Ingolstadt, in einem kleinem Dorf, mein Zelt hinter dem Feuerwehrhaus auf einem Spielplatz auf. Zelt aufbauen, Wasser besorgen, Nudeln kochen, in den kalten Schlafsack schlüpfen und hoffen das ich diesmal nicht die ganze Nacht durchzittern würde.



Tag 15: Ingolstadt - Nürnberg

Wieder eine frostige Nacht. Und wieder eine kleine Begebenheit, die mich trotz schon soviel Erlebten, fast zu Tränen rührt. Was hatte ich noch vor gut einem Jahr alles für Bedenken und Ängste. Insbesondere was das "Wild campen " in Deutschland angeht. Auf soviele Bedenkenträger bin ich gestossen, die mich vorwarnten: betrunkene Jugendliche überfallen dich nachts, die Polizei verhaftet dich, dein Fahrrad wird geklaut, aufgebrachte Anwohner verscheuchen dich. Ich musste meine eigenen Erfahrungen machen, musste durch meine eigenen, eingeredeten Befürchtungen hindurch. Um als Resultat heute weitesgehend angstfrei zu sein, zumindest was das wild campen angeht, aber nicht nur dort. Zur Veranschaulichung möchte ich eine alte Analogie heranholen. Zugegeben, eine banale, oft bemühte und ziemlich abgedroschene. Aber doch zum Verständnis sehr passende. Es ist der alte Vergleich, die alte Wahl, zwischen der Sichtweise auf die Dinge: Ist das Glas Wasser halb voll oder halb leer?

Jahrelang gehörte ich zu der "Halbleer Fraktion". Heute definitiv zu der "Halbvoll". Es ist eine Frage, worauf man seinen Fokus und seine Aufmerksamkeit lenkt.  Bin ich im Vertrauen und in der Gelassenheit verankert, darauf das in 9 von 10 Fällen "alles gut" geht, sich niemand beschwert, mich niemand belästigt, mich niemand verhaftet? Jetzt schreien die Bedenkenträger " Aber wenn einmal, dann ist es zu spät." Ja, Wenn! Aber mein innerer Fokus liegt auf der Mehrzahl der Fälle, wo nichts passiert ist. Anders, ich denke darüber gar nicht nach. Weil darin liegt der Hund begraben, im Hirn, beim Grübeln, Nachdenken über "Aber es könnte ja..".
Das ist keine Einladung zum Leichtsinn. Wenn eine Horde betrunkener Jugendlicher auf dem Spielplatz gewesen wäre, deren Hemmschwellen heutzutage sehr niedrig geworden sind, hätte ich mein Zelt irgendwo anders aufgeschlagen. Wobei, das sei auch gesagt, man kann das nie pauschal im voraus sagen.

 Egal in welcher Situation, es ist ein sekundenschnelles Abwägen, ein Gespür, ob eine Situation heikel werden könnte. Aber auf der Basis von Vertrauen, Zuversicht und Gelassenheit. Und ich glaube, dies ist der Grund dafür, das es auf meinen Reisen immer wieder zu solchen Situationen kommt, wie diese: Gerade als ich mein Zelt verstaut hatte, dabei war, die Packtaschen an das Rad zu hängen, drehe ich mich um, und sehe plötzlich eine Frau vor mir stehen. Ich schaue in ein freundliches Gesicht und sehe eine Tasse Tee in Ihrer Hand: "Hier bitte, für so einen hartgesottenen Mann. Sie können dann die Tasse vor die Garage stellen." Die Frau kam von dem gegenüberliegenden Haus und hatte mich bestimmt schon am Vorabend gesehen. Ich bin überwältigt und bedanke mich. Mit klammen Fingern setze ich mich auf die Bank und umschliessen mit beiden Händen die wärmende Tasse. Henry Miller notierte einmal: " Leben ist, was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben."

Der frostige Morgen begrüsst mich einem strahlendem Himmel, mit leichten Schleierwolken und den ersten wärmenden Sonnenstrahlen. Grundsätzlich gehe ich jeden neuen Tag auf dieser Radtour mit der Leichtigkeit und der Freiheit an, die Dinge sich entwickeln zu lassen, sie so zu nehmen wie ich sie vorfinde und nicht wie ich sie gerne haben möchte. Trotzdem, ein paar Dinge habe ich mir vorgenommen. Eines davon ist, unser soziales Netz von ganz unten kennen zu lernen. In Innsbruck war ich bei einer Armenspeisung. Nun, als ich Ingolstadt erreiche, gehe ich in eine Straßenambulanz. Aus zweierlei Gründen: einmal um mich selbst als bewusst einfach Reisender mit dem Nötigsten zu versorgen, soweit möglich, zum anderen, um zu sehen wer in solchen Einrichtungen ein und ausgeht, um eigene und gesellschaftliche Klischees und Vorurteile zu sprengen oder zu bestätigen. Wobei meistens das Erstere zutrifft.
So auch hier. Gleich werde ich freundlich von dem stellvertretenden Leiter, Oliver, begrüsst. Zuerst denkt er, ich sei ein Obdachloser und möchte meine Daten aufnehmen. Wir gehen dann nebenan in den Behandlungsraum und reden ein wenig. Ich erzähle ihm von meiner Tour und was ich mir für die Rückfahrt alles vorgenommen habe. Er ist gleich begeistert und offen, bietet mir sofort an, das ich mich im Lebensmittellager frei bedienen kann.

Die St. Franzikus Straßenambulanz in Ingolstadt wurde 2005 von dem  Franziskaner Martin Berni gegründet. Heute nennen ihn alle nur "Bruder Martin". Zusammen mit seinem engagierten und toughen Mitarbeiter Oliver leitet er diese Einrichtung, die sich komplett aus Spenden finanziert und somit unabhängig ist von kirchlichen Sozialverbänden wie die Caritas, wo oft mehr Bürokratie vorhanden ist, als schnelles Helfen ohne langes Fragen. Er zeigt mir das ganze Haus. Es gibt eine ärztlichen Behandlungsraum, der so modern und grosszügig ausgestattet ist, wie in einer Arztpraxis. Eine grosse Wärmestube, wo es Tee und Kaffee gibt und wamre Mahlzeiten, eine Notschlafstelle mit 4 Betten, betreutes Wohnen. Jeder wird aufgenommen. Es sind nicht nur Obdachlose, wie man gemein hin meint. Oliver erzählt mir einige Geschichten. Ex-Inhaftierte, die frisch aus dem Knast kommen und nirgends unterkommen. Drogenabhängige. Zum betteln gezwungene, behinderte Sinti und Roma ("Bettlermafia"), die stundenlang an eine Ecke gestellt werden. Frauen die von ihrem tyrannischen Ehemann fliehen. Ein Mann, der im Selbstversuch von München nach Nürnberg komplett ohne Geld wanderte, abends in Restaurants nach Essensresten fragte, behandelt wurde, wie ein Leprakranker, und schliesslich von einem asiatischem Schnellrestaurant ein frisch zubereitetes Essen bekam.

Oliver gefällt mir. Er ist schlagfertig, intelligent und hat keine Angst einen klischeebeladenen Oberbürgermeister bloßzustellen. Dieser besuchte die Einrichtung einmal und meinte lapidar zu ihm" Naja, ist ja ganz schön, das es soetwas gibt, aber eigentlich brauchen wir solche Einrichtungen ja nicht, es gibt ja Hartz IV." Oliver ging mit ihm in die vollbesetzte Wärmestube und fragte in die Runde:" Wer von euch bekommt alles Hartz IV". Lautes Gelächter. Der Bürgermeister wird knallrot und wechselt schnell den Raum. Auch von einem Audimanager berichtet er mir, der 8.000€ Boni bekommen hat und nicht weiß, was er mit dem vielen Geld anfangen sollen. Er kann es zwar gut für die Familie gebrauchen, fühlt sich aber innerlich so "leer". Er kommt in die Einrichtung, spendet 1.000€, spielt mit den Obdachlosen eine Stunde "Mensch ärgere dich nicht" und verläßt anschliessend die Einrichtung mit einem anderen Gefühl.
Nach gut einer Stunde verlasse auch ich die Einrichtung, mit einer Packung Reis, Linsen und Schokokeksen auf dem Arm. Und wieder einmal mehr mit dem Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein. Vor der Ambulanz machen wir noch ein paar Fotos und verabschieden uns dann herzlich, nicht ohne vorher die emailadressen ausgetauscht zu haben.



Es ist schon spät am Mittag als ich Ingolstadt verlasse, aber der Aufenthalt hat sich gelohnt. Nun heisst es Gas geben. Heute möchte ich es bis nach Nürnberg schaffen. Dort warten nämlich zwei Gastgeber auf mich, natürlich mal wieder "Warmshowers", die mich schon auf der Hinfahrt beherbergt haben. Und wo ich mich von meinem Magen-Darm-Infekt erholen konnte. Es sollte die längste Tagesetappe während all meiner Radreisen werden. Nach 130 km kam ich völlig erschlagen, spät abends um 22.30, bei Helmut und Sabine an, die extra auf mich warteten. Mit Brot, Käse und Apfelsaftschorle konnte ich mich von diesem "Höllenritt" erholen und nebenbei von meinen Erlebnissen erzählen. Um 1 uhr nachts falle  ich dann tot auf die Schlafcouch. Ein weiteres Beispiel von so oft erlebter Gastfreundschaft. Nochmals lieben Dank, Helmut und Sabine.









Donnerstag, 5. April 2012

Der erste Flügelschlag des Schmetterlings

Tag 22: Frankfurt am Main!

Der Kreis hat sich geschlossen! Am 11.09.2011 begann dieses Radabenteuer. Über 6 Monate war ich unterwegs, reiste durch unterschiedliche Länder und erfuhr so viel Gastfreundschaft und Unterstützung. An einem Montag im April endete es. Vor 3 Tagen erreichte ich Frankfurt. Genau 3 Wochen nach meinem Aufbruch von Venedig. Zurück in der Finanzmetropole. Die letzten Tagen waren noch einmal gespickt mit bewegenden Begegnungen und ein paar kalten Nächten im Zelt. Darüber wird zu berichten sein, aber erst, wenn ich richtig angekommen bin, mich erholt habe und alles ein wenig verdaut und verarbeitet ist. Und die nötige Zeit und Ruhe dafür finde, weil jetzt ein paar Erledigungen auf mich warten.

Es ist das bekannte weinende und lachende Auge. Die letzten zwei Tage vor Frankfurt, war ich sehr in mich gekehrt, viele Erinnerungen kamen hoch. Ein großer Abschnitt geht zu Ende und etwas Neues, Unbekanntes wartet auf mich. Ich werde in mich gehen und versuchen diesen neuen Lebensabschnitt wie jeden neuen Tag während der Tour zu begrüssen: Mit der Freude und Dankbarkeit an diesem Wunder, namens Leben, teilhaben zu dürfen.

Just think about it!
 Ein Biologielehrer unterrichtete seine Schüler über den Prozess, wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird. Eine Kokon lag vor ihm auf dem Tisch und er informierte die Klasse darüber, dass in den nächsten Stunden der Schmetterling mit allen Kräften versuchen würde, den harten Flor zu öffnen. Dann verließ der Dozent den Raum. Die Schüler warteten und es passierte. Der Schmetterling kämpfte und kämpfte, um die Wände des Gespinsts zu durchbrechen. Plötzlich überkam einen der Schüler Mitleid mit dem Tier und er beschloss, dem Insekt zu helfen. Gegen den ausdrücklichen Rat des Pädagogen brach er den Kokon entzwei und der Schmetterling kam frei. Um kurz darauf zu sterben. Als der Lehrer zurückkehrte, erfuhr er, was passiert war. Er erklärte den Jugendlichen, dass der Kampf des Schmetterlings unabdingbar sei, um seine Flügel zu stärken. Wer ihm dabei behilflich sei, entziehe dem Falter seine lebensnotwendige Bewährung.
Aus "Triffst du Buddha, töte ihn" von A. Altmann

Hier begann die Reise vor 6 Monaten: Börse in Frankfurt



Eine Nacht verbrachte ich im Occupy Camp vor der EZB