Freitag, 6. Mai 2011

Von äußeren und inneren Reisen

Rückblick, Mai 2009

Ich sitze am Kap Finisterre, in Nordspanien, dem früheren „Ende der Welt“, auf einem grossen Felsvorsprung mit einem Leuchtturm. Ich suche mir ein schönes Plätzchen im Hang, packe mein Proviant aus und schaue auf den schier unendlichen Atlantik der bis zum Horizont reicht.

Hinter mir liegen 4 Wochen Jakobsweg mit dem Rad, rund 1.200 km stecken mir in den Beinen. Hier ist nun der passende Ort am Kilometer 0000 des Camino de Santiago, diese Tour Revue passieren zu lassen.
Nach alter Tradition, kamen die Pilger hierher um nach Abschluss ihres strapaziösen Weges ein getragenes Kleidungsstück zu verbrennen, ein symbolisches Ritual, um danach geläutert und gereinigt in das alte oder neue Leben zurückzukehren. Auf das Verbrennen verzichte ich, auf den Sonnenuntergang nicht.

Bis dahin sind es noch einige Stunden. Das Wetter könnte nicht besser sein, weiterhin eine angenehme Frühlingswärme, strahlender Himmel, keine Wolken, angenehme Brise,so läßt es sich hier für einige Stunden aushalten, der perfekte Ort um ein letztes Mal inne zu halten.

Ich schlage mein Tagebuch auf, und fange an über die vergangenen Tage nachzudenken, lasse die Ereignisse vor meinem geistigen Auge Revue passieren, die Begegnungen mit Pilgern aus der ganzen Welt, die atemberaubende Landschaft.
Hier oben, auf diesem Felsvorsprung, in dieser herrlichen Umgebung, mit diesem grandiosen Ausblick, merke ich, wie plötzlich und von alleine noch andere Bilder, Gedanken und Emotionen aufsteigen. Bilder aus meinem bisherigen Leben!

Was habe ich erreicht, woran mich erfreut, woran gelitten, was machte mich glücklich, oder traurig, bin ich zufrieden mit meiner derzeitigen Lebenssituation, meinem Beruf, meinem sozialen Umfeld, was hat mir das gebracht, jenes nicht, inwieweit habe ich mich weiterentwickelt, wie oft fühlte ich mich frei, wie oft abhängig von den Umständen??

Fragen über Fragen, aber ein letzte, entscheidende bleibt, vielleicht die entscheidendste überhaupt, WAS macht dieses Leben aus, ist DAS alles Zufall??



Ich schaue auf das Meer, diese Unendlichkeit aus Wasser, lasse die Emotionen und Erinnerungen der letzten Wochen nochmals aufsteigen, das Gefühl der Freiheit, jeden Tag neue Eindrücke, ich bin einfach nur da, schaue und beobachte, und dann ganz plötzlich ist es da, ohne mein bewußtes tun, meldet sich in mir eine kräftige,laute Stimme: „ Nein, du bist nicht aus Zufall hier! Du hast eine Aufgabe, finde sie heraus“!

Ich schließe mein Tagebuch, schaue weiter auf den Atlantik. Der gelb-rote Feuerball berührt jetzt ganz langsam am fernen Horizont die Wasseroberfläche, ich meine für einen kurzen Moment ein leises Zischen gehört zu haben.
Nun ist es klar, ich spüre es in jeder Zelle meines Körpers, wenn ich nach Deutschland zurück komme, wird sich mein Leben verändern, radikal, ein großer Umbruch!

Ich schaue wieder in mein Tagebuch schreibe einige Gedanken, Szenarien für diesen neuen Abschnitt auf. Der gelbe Feuerball versinkt immer weiter im Wasser bis er ganz verschwunden ist, vergangen, verglüht, morgen früh wird er wieder aufgehen, erstrahlen, entstehen, vergehen, wie vieles im Leben.
Ich geniesse noch ein wenig die Abenddämmerung, das angenehme, sanfte Licht, mich durchströmt ein Gefühl des Glücks und der Freude. Jetzt gibt es keinen Zweifel mehr, der Entschluss ist gefasst, so fest in mir verwurzelt, wie die Felsen neben mir im Erdreich. Ich steige auf mein Rad, fahre mit einem Lächeln hinab in meine Pilgerherberge.

Mai 2011

Ich sitze in einem Garten in Deutschland. Blumen, Sträucher, Pflanzen umgeben mich, blauer Himmel, wenig Wolken, die Vögel zwitschern, angenehme Frühlingswärme.
Mittlerweile sind 2 Jahre seit dem Sonnenuntergang am Kap vergangen, jetzt fast genau 2 Jahre später, wird es Zeit für einen weiteren Rückblick.

Vieles kam anders als gedacht, geplant oder vorgenommen, schon unmittelbar nach meiner Rückkehr aus Spanien im Mai 09. Diese „Lektion“ zog sich wie ein roter Faden, durch diese beiden Jahre, immer wieder auf neue Situationen einstellen, alte Vorhaben, Pläne, Menschen loslassen, sich den Umständen, dem Leben anpassen, ins Unbekannte gehen.
Das war weitaus schwieriger, als es sich jetzt hier anhört, in dieser Zeit hatte ich auch Phasen, tiefster Niedergeschlagenheit, Resignation, Hoffnungslosigkeit. Doch nur so konnte ich lernen,langsam aber stetig, dass dies genauso zum Leben gehört, wie Freude, wie Liebe, wie Glück.

In all diesen Phasen gab es tief in mir, eine Kraft, die ich nicht benennen kann, die mich aber immer wieder vorantrieb, aufbaute, aufstehen liess, anspornte, weiter zu gehen, auf diesen, meinem Weg, manchmal mit Umwegen, manchmal mit zwei Schritten zurück, und einem voraus, im „Krebsgang“, langsam, aber kontinuierlich.

Diese Erfahrungen, Eindrücke, Kontakte waren von ganz unterschiedlicher Art und Ausprägung, vom Leben in der größten Metropole der Welt in Japan, bis zu einem Zelt in Dänemark, von der Gastfreundlichkeit einer Familie in Italien bis zur Kunst des Schreibens in Griechenland, von der Begegnung eines japanischen Zen-Meisters bis zu einem indischen Bettler, von der Sprachlosigkeit und Erhabenheit der Natur bis zur Armut eines ganzen Subkontinents, vom Leuchten und Strahlen menschlicher Augen bis zur Intoleranz und Selbstsucht.

All dies war notwendig, mußte erfahren, erlebt, gefühlt werden, um heute 2 Jahre nach meinen inneren und äußeren Aufbruch etwas (wieder) gefunden zu haben, etwas das sich wie ein Küken aus der harten Schale ins Leben frei kämpfen musste, um jetzt von mir gelebt, gepflegt, behütet zu werden, nichts geringeres als den Grund warum ich hier bin!

Damals bin ich mit so vielen anderen Vorsätzen und Zielen gestartet, aber nun im Rückblick, in der Retrospektive, kann ich sagen, im Grunde ging es immer darum, das wiederzufinden, was schon immer in mir lag, wie eine Knospe die jetzt aufgegangen ist, wie ein Samen der von dem ganzen „Unkraut“ befreit wurde.

So kann ich heute, im Mai 2011, aus tiefster Überzeugung sagen, mein Weg geht weiter, auch die Irrungen und Wirrungen, das wird bleiben so lange ich atme, lernen und leben, aber nun mit einer klaren Richtung, Neuausrichtung, einem innerlichen Kompaß der mich durch die stürmische See des Lebens navigieren wird.

Bleibt die Frage, worauf ist dieser Kompass ausgerichtet? Die Antwort sollte für all diejenigen die meinen Blog mit offenem Herzen lesen, nicht schwer zu beantworten sein.
Ich werde schreiben, mehr schreiben, tiefer, intensiver, weiter in die Themen einsteigen über die ich geschrieben habe, versuchen so zu schreiben das es für alle verständlich ist, der Blog bleibt vorerst mein Medium nach Aussen, gleichzeitig werde ich an ausführlicheren Texten arbeiten die dann, so das Universum will, irgendwann in Papierform erscheinen sollen!
Die Quelle für all das ist mein Unbewusstes, mein Herz, meine Seele, mein Gefühl, wie auch immer man dieses „höhere, wahre Selbst“ in uns nennen mag?!

So freue ich mich über jeden treuen Leser, und all jene, die noch neu hinzukommen werden, und lade alle herzlich dazu ein mich weiterhin zu begleiten.
Nun beginnt eine neue „Reise“, ein neuer grosser Abschnitt, der sich im Detail in den nächsten Monaten zeigen und manifestieren wird, bei dem im Aussen sicherlich auch wieder einige Widerstände auftreten werden.

Aber wie schrieb Alan Watts in „Die sanfte Befreiung“:
„ Vertrauen ist nicht Hoffnung. Von einem gewissen Standpunkt aus ist Vertrauen die unlogischste Sache der Welt; es ist der Glaube an das Leben WEGEN seiner Widerwärtigkeiten.“

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