Mittwoch, 29. Februar 2012

Way of Living Tour: Weiter voran..


Die Way-of-Living - Radtour geht weiter! Nach drei Monaten Winterpause in der milden und wilden Mani, mit viel Sonne, Kraft und Inspiration, stehe ich nun wieder in den Startlöchern.

Lange habe ich überlegt, wie ich nach meiner Zeit hier auf der Mani, wieder nach Deutschland zurückkehren kann und wie ich der ganzen Tour einen runden und passenden Abschluss geben kann. In den ersten Wochen meines Aufenthaltes war die Variante mit dem Flugzeug nach Deutschland zurückzufliegen sehr präsent. Einfach aus rein finanziellen Gesichtspunkten ( es gibt Flüge ab 80€). Aber, dies wurde mir dann immer klarer, aus rein ökologischen Gründen wäre das kein passender Abschluss und würde die Tour in gewisser Weise ad absurdum führen, da sie ja stark mit dem Motto „Weniger-ist-mehr“ und einem minimalistischen Ansatz verbunden war und ist. Dann gab es eine Variante mit dem Firmen-LKW bis nach Deutschland mitzufahren, die sich dann aber auch zerschlagen hat.

So habe ich mich dann irgendwann entschieden diese Tour so zu beenden wie ich sie begonnen habe, mit dem Fahrrad! Vieles hat sich in den letzten 4 Monaten seit meiner Ankunft in Griechenland getan und verändert, persönlich, sowie in diesem Land das von einer tiefen Sinn- und Wirtschaftskrise erfasst ist. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist meine Reisekasse nach 2 Monaten des Reisens und 4 Monaten Aufenthaltes rapide zusammen geschmolzen, so dass nur noch ein kläglicher Rest vorhanden ist. Aus dieser Not möchte ich auf meiner Rückreise nun eine Tugend machen und mit diesen minimalen finanziellen Mitteln die rund 1.000 km von Venedig nach Frankfurt bestreiten.

Das Thema Geld beschäftigt mich schon sehr lange, nicht erst seit dem Beginn dieser Radtour. Es scheint so, dass es nicht nur mir so geht. Jeder ist wohl derzeit damit direkt oder indirekt beschäftigt. Ob ein Grieche, dessen Lohn von 700€ auf 500€ gekürzt worden ist oder ein deutscher Angestellter der sich um seine Ersparnisse Sorgen macht, dass Thema Geld, seine Macht, seine Verteilung und sein Erhalt, ist derzeit omnipräsent.

Und so kamen mir in den letzten 3 Monaten einige Gedanken zu diesem Thema. Wie damit umgehen, welche Energie hat dieses Zahlungsmittel? Und vor allem, gibt es Alternativen zum herrschenden Zins- und Schuldsystem? In diesem Zusammenhang und den Überlegungen für meine Rückreise, fielen mir zwei Bücher ein, die ich in den letzten Jahren gelesen hatte. Einmal Andreas Altmanns 34Tage, 33 Nächte: Von Paris nach Berlin und dann der Klassiker, der diesem Buch vorausging, Michael Holzachs Deutschland umsonst. Diesen beiden Bücher gaben den Ausschlag für die Idee und Konzeption meiner Rückreise nach Deutschland.

Zuerst ein paar „technische“ Daten und einen Überblick über die Route, bevor ich ein wenig auf die Hintergründe und die Umsetzung eingehe:

  • Geplanter Start: 09.03.12
  • Von Pirgos aus geht es mit dem LKW der Firma Bläuel nach Patras. Dort steige ich auf die Fähre Richtung Venedig, welches ich voraussichtlich am 11.03. erreichen werde.
  • Von Venedig aus geht es durch das Etschtal nach Bozen. Hier wartet dann der anstrengendste Part der ganzen Rückreise auf mich: die Alpen! Wenn es das Wetter, und meine hoffentlich wieder eingefahrenen Beine zulassen, möchte ich den Brennerpass (1.364m) mit dem Rad überqueren. Ansonsten Zug.
  • Nach dem Pass lasse ich es rollen bis nach Innsbruck. Ein Stück den Inntalradweg entlang, bevor diese auf die Via Bavarica Tyrolensis abzweigt. Dieser Radweg führt mich dann bis nach München.
  • Hier möchte ich 1-2 Tage bleiben, um zu regenerieren und um persönlichen Kontakt zu der örtlichen Occupy-Gruppe aufzunehmen. Je nachdem was sich daraus ergibt, setze ich meine Tour alleine fort, oder zusammen mit Leuten oder einer Aktion von Occupy. Kontakt und Ideen gibt es bereits.
  • Ab Regensburg folge ich dann der bekannten Route zurück bis nach Frankfurt am Main, wo ich dann hoffentlich wieder glücklich vor der Börse landen werde (Start/Ziel).

    Way of Living - Tour 2011/12 auf einer größeren Karte anzeigen

Hier nun einige Gedanken zur Umsetzung und Motivation für die Rückreise:

  • Mein Tagesbudget von ursprünglich 10€ wird auf 5€ gesenkt. Diese sollen auch nur verwendet werden, wenn es keine anderen, kostenfreien, Möglichkeiten für die Verpflegung gibt. Das dies möglich ist, und sogar noch viel weiter, nämlich einmal um die Welt, zeigen gerade zwei zwei junge Österreicher, die letztes Jahr im Oktober gestartet sind.
  • Dies bedeutet ich werde noch aktiver und gezielter nach kostenfreien Möglichkeiten der Lebensmittelbeschaffung Ausschau halten. Die jungen Weltenwanderer haben mit ihren Aufzeichnungen gezeigt, das dies möglich ist, insbesondere was auch den nächsten Punkt angeht.
  • Thema Wegwerfgesellschaft. Ich möchte bei Supermärkten nachfragen, die täglich mehrere Kilos an einwandfreien Lebensmitteln in Container stopfen, nur weil die Gurke eine Delle hat oder das Mindesthaltbarkeitsdatum um einen Tag abgelaufen ist. Dies werde ich vor allem in Österreich und Deutschland versuchen zu nutzen.
  • Dort gibt es auch ein breites Netz von „sozialen Einrichtungen“: Suppenküchen, Bahnhofsmissionen, Tafeln. Diese Einrichtungen sind auch ein positives Beispiel der Solidarität und was man mit Überfluss machen kann, da das meiste gespendet wird, anstatt es wie üblich wegzuschmeißen.
  • Das Thema Solidarität, Austausch und auf die Menschen zugehen nimmt einen noch grössen Stellenwert ein, als auf der Hinreise. Ich kann mich an Passagen aus den oben genannten Büchern erinnern. Die Autoren gingen ganz gezielt auf völlig fremde Menschen zu um nach einem Wurstbrot oder etwas zu trinken zu fragen, und entgegen der verbreiteten Meinung das verlangte sogar bekamen, meistens sogar noch viel mehr.
  • Insofern ist das ganze auch eine gewisse Gesellschaftsstudie, wie im Prinzip schon auf der Hinreise. Und zwar gerade jetzt, in Zeiten der Verunsicherung und Selbstkontraktion. Ich möchte herausfinden, ob in modernen und ansatzweise Postmodernen Nationen wie Österreich und Deutschland, in denen der Leistungsgedanke (Winner or Loser) als höchste Maxime gilt, und gleichzeitig ein ausgeprägtes Besitz- und Anspruchsdenken vorherrscht (mein Haus, mein Auto, meine Frau), ob in diesen Gesellschaften voller materiellen Reichtums und seelischer Leerheit, noch so etwas wie Altruismus, Solidarität und Mitgefühl für seine Mitmenschen (oder Reisende:-) vorhanden ist?!
  • Und wieder einmal meine eigenen Grenzen ausloten. Das Ganze soll nicht in einer Opfer und Mitleidstirade ausarten. Diesen Übergang zu finden wird nicht einfach werden! Wie mutig bin ich wirklich wenn ich mit hungrigen Magen dastehe? Wie weit gehe ich, inwieweit kann ich meine Scham und Hemmschwelle überwinden? Inwieweit kann ich unnötige Schuldgefühle verhindern bzw. damit umgehen? Theoretische Fragen, auf die es nur praktische Antworten geben kann. Aber auch genau so klar: immer im Bereich der Legalität. Einbrüche und Diebstähle, wie teilweise von dem Autor Holzach unternommen, wird es nicht geben! (das kam von dem strengen Vorsatz, keinen Cent auszugeben)
  • Und natürlich wieder ganz offen und wachsam sein, für alles um mich herum und in mir. Die Situationen ganz genau anschauen, von den Begegnungen und Schicksalen berichten. Aber auch von geschürtem Hass und Vorurteilen, derzeit insbesondere gegen Deutschland, in diesen Zeiten einer europäischen Staats- und Identitätskrise. Ich möchte den von der Occupy-Bewegung postulierten 99% begegnen, möchte herausfinden ob es wirklich die 99% sind, oder vielleicht doch nur 90% oder 95%, ob es wirklich nur an den 1% der Eliten , den rücksichtslosen Bankern, Politikern, Funktionären und Managern liegt, oder ob auch in der breiten Masse die Grundübel und Auslöser eines Raubtierkapitalismus zu finden sind: hemmungslose (Profit)Gier, Narzissmus und Gefühlslosigkeit??

Man sieht, ein gewagtes Unternehmen mit hohen (moralischen) Ansprüchen, an mich selbst und in gewisser Weise auch an andere. Was davon alles eintritt, ob das alles so verläuft wie ich es mir jetzt in meinem gemütlichen Häuschen ausdenke, ob ich mir zu viel einbilde, all dies wird sich zeigen. Darauf habe ich keinen Einfluss. Worauf ich aber Einfluss habe ist meine Einstellung. Und so gehe ich es erneut an, wie vor 6 Monaten, eine Reise mit vielen Unbekannten und Variablen, mit nichts in der Hand, ausser einem Fünkchen Hoffnung und einem vagen Gefühl für Offenheit, Vertrauen und Führung. Und genau das macht das Reisen für mich aus, das täglich Neue, Unvorhergesehene, Überraschende. Vibrierend stehe ich in den Startlöchern, die Vorfreude ist da, die Spannung auch, es geht wieder los, auf in ein neues Abenteuer, mit Höhen und Tiefen und einem unbekannten Ausgang.
"Wir müssen unser Dasein so weit, als es irgend geht, annehmen; alles, auch das Unerhörte, muss darin möglich sein. Das ist im Grunde der einzige Mut, den man von uns verlangt: mutig zu sein zu dem Seltsamsten, Wunderlichsten und Unaufklärbarsten, das uns begegnen kann."
Rainer Maria Rilke

3 Kommentare:

  1. Habe deine Gedanken,Geschichten,Kommentare wärend deiner Reise immer mitverfolgt.Erstaunlich und Interresant.Durch deine Darstellungen,nicht nur zu der Krise in Griechenland bekommt das alles ein anderes Gesicht!
    Wir wünschen dir weiterhin eine spannende Reise und ein gesundes zu Hause ankommen.

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  2. Vielen lieben Dank. Das freut mich wirklich. Dafür bin ich unterwegs, dafür haben sich so manchen Strapazen gelohnt.

    In diesem Geiste versuche ich fortzufahren.
    Euch alles Gute + Liebe
    O.

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  3. Hallo Oliver,

    klingt nach einem guten durchdachten Plan. Vielleicht ist ja sogar die eine oder andere Nacht im Zelt drin. Langsam aber sicher kommt der Frühling :)

    Gute Rückreise, pass auf Dich auf und bis bald in Forchheim,

    Christof

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