Sonntag, 12. Dezember 2010

Indien - Welcome to the chaos

Nun bin ich also da! Reingeschleudert worden in diese andersartige Kultur.
Am Mittwoch abend in Chennai gelandet. Was sich hier abspielt trotz jeder Beschreibung, man kann noch so viel vorher über dieses Land lesen oder mit Indientravellern darüber sprechen, man muss es einfach erlebt haben um es zu glauben und es vielleicht irgendwann zu verstehen!

Der Flug und der Zwischenstopp in Delhi waren noch ok, ok im sinne wie es mein westliches Denken erwartet hat, freundliche Stewardessen, sauberes + sicheres Flugzeug ( wenn ich überlege was ich vorher alles an Negativberichten über Air India gelesen habe), ein morderner, mit westlichen Standards vergleichbarer Airport (über den gibts auch genug kommentare), kein verloren geganges Gepäck (dies war mit meine grösste Sorge). Die 9 Std. Aufenthalt habe ich mit rumsitzen, schlafen und lesen verbracht. Abends ging dann der Inlandsflug nach Chennai wo ich gegen 23 Uhr Ortszeit landete.
Mit verlassen des Flughafensgebäude begann dann irgendwann um Mitternacht mein Indienabenteuer und damit verbunden der erste Schock. Ich dachte ich bin im falschen Film. Der Flughafen eine riesige Baustelle, ein Inder erzählte mir später er solle mal so modern werden wie Delhi, vielleicht im nächsten Jahrtausend. All die ersten Eindrücke von Delhi Airport wurden hier innerhalb von Minuten zerschlagen, das indische System nahm mich auf. Was habe ich auch erwartet, keine Ahnung, wie gesagt man kann sich noch so viel vorstellen, es trifft nicht annähernd die Realität!

Ich schiebe meinen Trolley aus dem Flughafengebäude, das schon dreckig und verkommen ist. Ich brauche ein Taxi um zu meinen gebuchten "Hotel" zu kommen. In D. hatte ich mich schlau gemacht, auf jeden Fall ein sog. "Prepaid Taxi" nehmen, fester Preis und der Fahrer fährt auch dahin wo man will. Sobald ich durch die Tür ging empfing mich schon der Sound des indischen Strassenverkehrs, Dauerhupen und Geschreie. Ausserdem links und rechts hinter Sperrgittern hunderte von Menschen, einige mit Namen auf Schildern, wie sehr hätte ich mir im nachhin gewünscht auch meinen Namen auf so einem Schild zu lesen. Nach ein paar Metern sehe ich eine Menschentraube vor einem einfachen Holztisch, mit einem Pappschild darüber "Prepaid Taxi". Die Luft ist schwül und drückend, auch nachts kühlt es hier nicht sonderlich ab, zumindest im Süden. Ich bin müde, hungrig, verschwitzt, möchte nur noch so schnell wie möglich in ein sauberes Bett mit vorheriger Dusche. Am Taxistand dann angekommen verstehe ich vor lauter Lärm den Typen nicht, ich wusste wie hoch der Preis sein sollte. Er legt mir eine Quittung hin mit einem höherem Preis, ok denke ich gleich in der ersten Nacht musst du feilschen, es früh übt sich für die unzähligen weiteren Male.
Nein, ich würde nicht verstehen, es kommt ein anderer Fluggast hinzu, ein Inder, erklärt mir auf Englisch das man hier am Stand nur eine Gebühr bezahlt und später dann dem Fahrer den Fahrpreis und die Quittung gibt.
Mit der Quittung in der Hand stelle ich mich in eine lange Warteschlange am Strassenrand, einfach so ungefähr 100 meter vor dem flughafen, unzählige Menschen, die Autos quetschen sich um haaresbreite durch, ein unglaublicher Lärm, Abgasse, stickig. Ich erfahre die Taxis dürfen hier nicht parken, müssten dafür eine Gebühr zahlen, so fahren sie immer im kreise. Dann geht alles ganz schnell, es wird hektisch, der Typ vom Holztisch schreibt auf meine Qutittung eine Kennzeichen "Thats your taxi" der Fahrer erkennt mich, schnappt meinen grossen Rucksack, schmeisst ihn auf den Beifahrersitz, ich auf die Rückbank. Puh, schon mal die erste Hürde genommen denke, es wird noch eine lange Nacht.
Ich habe auch gelesen das man dem Fahrer erst die Quittung am Ende der Fahrt geben soll, sonst kann es passieren, dass er irgendwo anders hinfährt und dann mehr verlangt. Also zeige ich sie ihm nur und erkläre wohin ich will, die adresse hatte ich ausgedruckt. Wir fahren vom Flughafen in die Stadt. Man kennt es: es gibt keine Verkehrsregeln - vor jeder Kreuzung wird einfach gehubt -, dann drüber gefahren, Rote Ampeln - ein Spass-, ausweichen, es herrscht "normal" Linksverkehr, Kühe, Menschen, unzählige Arten von Rollern und Motorbikes, durch mein Fenster sehe ich die Strassenzüge vorbeifliegen, halb abgerissene Häuser, zerlumpte Menschen in der Gosse.
Plötzlich greift der Fahrer, ein junger Inder der seine Familie mit 2 Kindern hiermit ernährt, zum Handy. Ob ich eine Nr. vom Hotel hätte. Warum? Ich verstehe es zuerst nicht richtig, denke er will nach dem Weg fragen, wobei ich ihn vorher mindestens 3 mal gefragt habe, ob er ihn kennt? Typisch indisch, wie ich später noch des öfteren erfahren sollte, die sagen immer ja, und fragen sich dann lieber 10 mal durch, eine Fahrt mit einem Weissen lässt sich keiner entgehen.
Es folgt ein kurzes Gespräch, um dann von dem jungen Familienvater verkündet zu bekommen: das Hotel sei nicht in dem von mir genannten Stadtteil, es liegt wo anders!
Toll denke ich, habe ein richtig ungutes Gefühl, aber was soll ich machen, hoffe das ich ihm vertrauen kann, und vor allem mitten in der Nacht sicher dort ankomme und er nicht irgendwo in eine dunkle Seitenstrasse abbiegt.
Es kam wie es kommen musste. Irgendwann stehen wir von einem mehrstöckigem verkommenden, für indische Verhältnisse normal aussehendem Haus, mit dem Namen meines Hotels drauf. Der Preis hat sich natürlich wegen dem Umweg um 50 Rs erhöht, es sind nur Centbeträge, aber zu diesem Zeitpunkt (eigentlich noch heute) geht es mir ums Prinzip. Ich beschwere mich, verweise auf meine Quittung, es hilft nix, ich drücke ihm die 400 Rs in die Hand mit dem Satz " For your childrens", ein kurzes verlegenes Lächeln huscht über sein Gesicht, wenigstens diese kleine Genugtuung habe ich.
Dies war der erste "Betrug", man könnte auch sagen Lehrgeld das jeder der hier das erste mal hinkommt bezahlt. Der zweite sollte nicht lange auf sich warten lassen, am Front Desk des sogenannten Hotels, das mehr wie ein mehrstöckiges Mietshaus aussieht, erfahre ich das sich der mir per email bestätigte Preis für ein Zimmer heute erhöhte hätte! Wieder kommt meine Prinzipientreue hoch, jetzt noch gepaart mit aufkommender Wut, ich sage klar ich werde nur diesen Preis hier bezahlen, ja ich solle zuerst mal den Anmeldungsformulare aussfüllen und schlafen gehen.
Ein Inder schleppt meinen Rucksack hoch und begleitet mich in mein First-Class-Zimmer.Damit nimmt der Tag, dieser Abend einen krönenden Abschluss, spätestens jetzt sollte mir klar,ich bin in Indien und nicht mehr in Europa.
So ein Zimmer würde man glaube ich in Europa noch nicht mal im letzten Bahnhofsviertel finden. Ein Doppelbett von dem ich schon nach einem einzig Blick wusste, darauf lege ich mich nur mit meinen eigenen Bettlaken, fasse noch nicht mal die Decke an. Ein Fernseher in der Ecke, der Deckenventilator surrt, in der hinteren Ecke ein Schrank den ich erst gar nicht aufmache. Zwei Fenster mit Gittern, wenigstens sicher, das eine öffne ich einen Spalt, und erlbicke eine Hauswand, Rohre, nein, bin mir nicht sicher, vielleicht auch ein Bad, über mir sehe ich nämlich einen Toillettenkasten!
Das "Beste"an diesem Zimmer ist das indisch gehaltene Bad, heisst ein verrosteteter in der Wand installierter Duschkopf, zwei Hähne, wobei es sowieso nur kaltes Wasser gibt, eine versiefte Kloschüssel, ein Waschbecken, ein Wasserhahn, ein Spiegel, ein Plastikeimer, zwei kleine Becher (erst in dem neuen Guesthouse wurde mir erklärt, das dies für die Toilette ist, Klopapier gibts nämlich grundsätzlich nicht auf ind. Toiletten, heisst also manuelle Säuberung mit der linken Hand+Wasser). Aber ich habe ja eigenes dabei.
Ich muss mich sehr überwinden, es hilft nix, ich bin so verschwitzt, ich brauche irgendwie eine Dusche. Mehr oder weniger hüpfe ich zwischen den Wasserstrahlen hin und her, und lege mich dann irgendwann gegen 2 uhr ins bett, nein auf meine gott sei dank mitgebrachten Laken. Das allerschlimmste an diesem Zimmer ist allerdings der Geruch, ein modriger, alter Gestank, nicht zu beschreiben, was es ist oder woher, das ganze Zimmer lebt davon, ich schmiere mir ein wenig Zahnpasta unter die Nase, es hilft nur kurzzeitig.
Das ist also meine erste Nacht in Indien, wow. Ich bin zwar totmüde, komme aber in keinen schlaf, mehr oder weniger nur ein dösen, Gedanken schiessen durch den Kopf, schaue immer wieder zu Tür, fühle mich irgendwie nicht richtig sicher, das Geld liegt unter dem Kopfkissen, das "Abwehrspray" griffbereit.

Am nächsten Tag checke ich aus. Am morgen gibt es fast noch Kabarettstück. Der Typ an der Rezeption fragt " How are you doing". Prima antworte ich, gut geschlafen, gemütliches Zimmer, das ironische Grinsen schwer verkneifend! "You look fresh" antwortet er daraufhin. Ich sage nichts mehr!
Der Rest in Kürze: kurzer Gang durch die Strassen, verwirrend, heiss, stressig, laut, Menschen mit Beinen wie Strohhalme. Geld gewechselt, den erhöhten Hotelpreis bezahlt, mit Motorrikscha zum Busterminal, klimatisierte 4-std. Busfahrt nach Pondicherry, ein Abend früher im gebuchten Guesthouse, Glück, das Zimmer ist bereits frei, ich öffne die Tür, im Paradies, sauber, hell, kein Autolärm, Meerblick.

Heute der 4. Tag. Habe in meinen Guesthouse mit mehreren Leuten gesprochen, es ist normal, geht jedem so wenn man das erste mal auf diesen Subkontinent kommt, die Armut, der Dreck, die Bettler, heute haben mich 3 angesprochen, alles Frauen, eine mit einem Baby auf dem Arm, schwierig, einmal gab ich 10 Rs. man muss ein eigenes Gefühl dafür entwickeln.
Es wird wohl noch ein paar Tage dauern, es sprengt einfach alle westlichen Standards, Regeln, Konventionen. Es ist wie ein spiegel, bringt einem zum Nachdenken, kann auch eine grosse Chance sein, eine Weiterentwicklung, fundamental!
Aber soweit bin ich noch nicht, step by step, jeden Tag aufs neue dem Lärm,der Armut, der Hitze stellen, irgendwann so hört man, beginnt man dann das zu sehen was hiner dem Schmutz, dem Elend steckt, wofür Indien seit Jahrtausenden bekannt ist, etwas was es im westen nicht mehr gibt, verdeckt, unterdrückt, verloren durch das Materielle, hier wo der Materialismus (noch) nicht vollkommen die Oberhand übernommen hat, hier soll es noch durchblitzen, wenn man offen, bereit dazu ist.

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