Freitag, 18. November 2011

Alles was einen Anfang hat, hat auch ein Ende

Gesamt-Km: 3.104

Tag 59

Nach 59 Tagen, 3.104 gefahrenen Kilometern und sechs durchreisten Ländern, erreiche ich am 08.11.2011 gegen 13.30 MEZ mit dem Schnellboot Korfu.

Ich habe es geschafft, und bin geschafft, für Luftsprünge bin ich viel zu müde. Vor mir am Zoll steht eine ganze Traube Albaner, die es kaum erwarten konnten, aus dem Boot zu kommen. Ich bin der letzte in der Schlange. Der Zöllner macht mal wieder den berühmten „Fahrzeugscheinwitz“, aber alles ganz locker, er geht mit mir nach draussen, und zeigt mir wie ich in die Stadt komme
.
Endlich wieder „europäischen Boden“ unter den Füssen, ich fühle mich gleich ganz anders. Aber hier ist ja nicht irgendwo in Europa, hier ist das Land auf das momentan die ganze Welt schaut. Das bekomme ich gleich im Hafen zu spüren, als ich zwei Griechen frage, ob Sie ein Foto von mir und meiner Ankunft machen können. Als sie erfahren, dass ich aus Deutschland komme, höre ich irgendwelche griechischen Sätze, und mehrmals den Namen „Merkel“.

Ich fahre in die Altstadt, und gönne mir zuerst einmal ein Willkommens-Menü, welches aus Pommes, Fetakäse, Brot und einer Fanta besteht. Dann möchte ich zur Tourist-Info, die aber schon geschlossen hat. Ich klappere einige Hotels ab, die aber alle für mein Budget zu teuern sind. Nein, auch nicht zu Feier des Tages, möchte ich 40 Euro für ein Zimmer ohne Frühstück ausgeben. Einen Campingplatz gibt es in der Stadt nicht, nur einige Kilometer ausserhalb, und ob der noch geöffnet ist, konnte mir auch keiner sagen. Ich fahre durch die Strassen, frage nach Privatzimmern, nichts zu finden.

Tja, ich wollte es ja so, ankommen mit nichts in der Hand, und relaxt bleiben. Schließlich, als es schon dämmert, fahre ich zum Hafen, sehe in einem geschlossenen Restaurant Licht, frage den Besitzer der gerade am aufräumen ist, ob ich eine Nacht auf seinen Spielplatz übernachten kann. Kein Problem, und so verbringe ich meine erste Nacht auf Korfu, zwischen einer Schaukel und einem Karussell. Abends setze ich mich an den Hafen, schaue den Anglern zu, lasse die Atmosphäre auf mich wirken. Morgen früh werde ich gleich die Tourist-Info ansteuern, um Infos zu erhalten.
Ich möchte nicht gleich wieder hier abreisen, sondern ein paar Tage, oder sogar Wochen bleiben. Ein Zimmer mit Verpflegung finden, das ich gegen Mitarbeit bekomme. Die Olivenernte steht an. Das ist mein Plan. Inwieweit er aufgeht, wird sich morgen zeigen, ein neuer Tag, eine neue Chance.

Zum Abschluss dieser Reise möchte ich ein letzte Mal Claude Marthaler zu Wort kommen lassen.

„Unser Charakter zeigt sich auf Reisen, in unvorhergesehenen oder schwierigen Situationen, wo die üblichen Bezugspunkte fehlen, besonders deutlich. „

„Unterwegs gibt es wohl mehr Unvorhergesehenes als bei einem sesshaften Dasein, aber meistens wird der Tagesablauf bestimmt durch die menschlichen Grundbedürfnisse: Essen, Trinken und Schlafen. Dieses spartanische Leben, oft so reich an Begegnungen und Entdeckungen, entspricht meinem Naturell und meinen Wertvorstellungen.“

Besser hätte ich es nicht beschreiben können...




Tag 58

Die Hotelbesitzerin ist richtig traurig, als ich Ihr am Morgen mitteile, das ich heute auschecken werde. Grundsätzlich war es sehr schön hier, aber ich merke nun ganz deutlich, wie ich nach 2 Monaten auf dem Rad nur eines will: Ankommen.
Sie bedankt sich tausend mal für den Excel Grundkurs, ich gebe ihr meine Email und Blogadresse.

Die Reise nähert sich dem Ende, das ist klar. Bis nach Saranda sind es ca. 60 km. Von da aus noch einmal 70 km bis nach Igoumentitsa, der Fährhafen in Griechenland. Gestern fand ich heraus, das es eine Verbindung von Saranda nach Korfu gibt, mit dem Schnellboot.
Eigentlich habe ich gestern abend schon darüber nachgedacht, und mich entschieden. Wenn das mit dem Fahrrad geht, nehme ich das Schnellboot. Wenn ich bis Igoumenitsa fahre, werde ich wohl noch einmal dort übernachten müssen. Aber vor allem bin ich müde. Und schlecht gelaunt. Die fast zwei Monate habe gezerrt, ich habe ein paar Kilo abgenommen. Mein Körper bettelt um Ruhe, Erholung und gutes Essen. Ganz klar, dafür an anderer Stelle einiges hinzugewonnen, Erfahrungen, Disziplin und Wertschätzung, für die kleinen Dinge, die so selbstverständlichen, Essen, Trinken, vier Wände zum schlafen.

Und so gehe ich sie an, die letzten Kilometer durch Albanien, und der ganzen Tour. Die letzte Entscheidung will ich in Saranda treffen. Eine Mischung aus Wehmut und Vorfreude. Was habe ich nicht alles erlebt in diesen zwei Monaten, Krankheit, Regen, Sonne, Hunger, Kälte. Wenn ich eine sichere und feste Bleibe auf Korfu gefunden habe, werde ich das alles Revue passieren lassen, in mich hineinhören was es mit mir gemacht hat, die Strapazen, wie die Freuden, das täglich neue, das täglich Ungewisse. Und versuchen darüber zu schreiben.

Nach einigen Kilometern merke ich eine Leichtigkeit beim fahren. Es könnte jetzt eine Bombe vor mir einschlagen, oder ein Pitbull auf der Strasse stehen, ich glaube es wäre mir egal, würde einfach weiterfahren, oder eben nicht, alles ist gut, alles ist schlecht, alles ist Veränderung.

Noch einmal zähes Treten bergauf, und lässige Rollen bergab, Dörfer, Hundegebell. Kurz vor Saranda, eröffnet sich links von mir ein riesiges Tal, und absolute Stille. Ich trete langsamer, bleibe immer wieder kurz stehen, ein passender, schöner Ausklang einer Tour. Da stören sogar die riesigen Müllberge am Strassenrand nicht.

Dann rolle ich in Saranda ein. Es ist früher Nachmittag. Die Frau in der Tourist-Info ist sehr freundlich, und bemüht für mich eine günstige Unterkunft zu suchen. Die beiden Hostels in der Stadt haben geschlossen. Sie gibt mir einen Stadtplan und ein paar Hotelempfehlungen mit auf dem Weg. Ich schiebe mein Rad durch die Strassen, die Albaner begaffen mich wie einen Außerirdischen. Sie sitzen in ihren Cafes, trinken Espresso, rauchen wie die Schlote, machen Tauschgeschäfte auf der Strasse. Man merkt eindeutig einen italienischen Einfluss, nicht nur bei den Restaurants, laize faire, warum sich verrückt machen, jeden Tag 8 Stunden arbeiten. Nun kommen ja immer mehr Touristen, wie mir die Dame in der Info erzählt hat, und wie man es überall an den Betonrohbauten erkennen kann.
Sie fragte mich auch, welcher Eindruck nach sechs Tagen durchs Land nun bleibt. Unterschiedlich antwortete ich, viele Vorurteile sind gefallen, ich fühlte mich nicht unsicher oder bedroht, aber auch nicht richtig wohl. Es bleibt ein fader Geschmack zurück, die Gesichter der Alten sind verhärmt, ausdruckslos, starr, man könnte meinen, die ereignisreiche und raue Geschichte des Landes ist darin gezeichnet.

Gerade als es zu regnen anfängt, habe ich wieder ein günstige Hotel gefunden. Ich bin wohl der einzigste Gast, die Dusche ist nur lauwarm. Nun ist es klar, morgen um 12.45 geht es mit dem „Dolfin“ Schnellboot rüber nach Korfu, in 30 Minuten in ein anderes Land.

Ich habe lange überlegt, ob ich mich bei diversen Seiten im Internet anmelden soll, um vorab Kontakt mit unterschiedlichen Gastgebern auf Korfu aufzunehmen,Wwoofen, HelpExchange, es gibt einige Möglichkeiten, um was Sicheres zu haben, eine Anlaufstelle. Habe es dann aber trotzdem nicht gemacht. Durch die Erfahrungen und den Austausch mit anderen Reisenden habe ich eine gewisse Gelassenheit bekommen, ich möchte morgen auf Korfu den Tag beginnen wie die letzten Tage, mit nichts Gewissem, nichts Sicherem, kenne niemanden dort, weiß noch nicht einmal wo ich schlafen werde.
Den Dingen ihren Lauf lassen, sich entwickeln lassen, das Schicksal arbeiten lassen. Hört sich manchmal etwas großspurig an, und für manche leichtsinnig, aber so möchte ich die Reise beenden, so wie ich sie auch angefangen habe.

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