Samstag, 26. November 2011

Schüttelfrost, kalt gepresstes Olivenöl und das Knistern des Kaminfeuers



"Leben ist, was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben"
Henry Miller




Am nächsten Tag, genau am 60. meiner Reise, verließ ich Korfu Stadt in Richtung Norden der Insel. Ich hatte nun alles was ich brauchte, eine Karte von der ganzen Insel, und Infos. Mir wurde empfohlen, in den Dörfern in der Inselmitte zur Mithilfe bei der Ernte zu fragen.

Auf meiner Fahrt aus der Stadt, traf ich am Hafen einen belgischen Tourenradler. Er kam gerade mit der Fähre vom Festland, und wollte heute noch weiter an Albanien. Das rief gerade zu nach Erfahrungsaustausch, und so gab es bei einer Cola genug zu erzählen. Er ist in meinem Alter, hat sich ein Jahr Auszeit genommen (nach der er aber nicht zurückkehren will), will mit dem Rad und dann als Backpacker die Welt erkunden. Am Ende frage ich ihn nach seinen Bewegründen für das Reisen:
“ Im normalen Alltag ist jeder Tag der selbe, wie sagt man, no Suprise!“

12 Km nach Korfu Stadt steuerte ich in Kontokali den Campingplatz an. Natürlich war der schon geschlossen, aber wie so oft in den vergangenen Wochen, lebt der Besitzer auf dem Platz, und so konnte ich einmal mehr, kostenfrei auf einen Campingplatz übernachten. Natürlich fragte ich ihn gleich nach Tipps oder Empfehlungen, bei wem ich wegen der Olivenernte nachfragen könnte. Er nannte mir den Namen einer Ferienanlange die, wie er meinte, alternativen Tourismus anbietet.

Am nächsten Tag stehe ich auf dem Gelände dieses Alternativtourismus, eine Casa, die als Alternative zu Einheitszimmern und Speisesall, stilvolle Appartaments und Häuschen in einer ruhigen Umgebung anbietet. Eine Engländerin, die seit 25 Jahren hier lebt, betreibt dieses Kleinod der Ruhe und Besinnung. Wir sind uns sofort sympathisch und bei einer Tasse Tee, erzähle ich ihr meine Geschichte von der Idee bis zur Umsetzung dieser Radtour. Sie ist sofort begeistert und möchte mich bei meiner Suche nach einer Unterkunft unterstützen. Sie schreibt mir mehrere Telefonnummern auf, darunter auch die eines Griechen, der in der Nähe ein grosses Grundstück mit vielen Olivenbäumen hat. So weit Sie weiß, möchte er in den nächsten Tagen mit der Ernte beginnen. Zusätzlich möchte Sie einen Rundbrief an einige Leute aus Ihrem Bekanntenkreis verschicken, und mich darin kurz vorstellen. Grandios.

Während meiner Fahrt zurück zum Campingplatz in Kontokali, merke ich, das ich krank werde. Während so eines Trips, lernt man sich und seinen Körper genau kennen. Ich fühle mich geschwächt. Letzte Nacht, habe ich mein erstes schweres Gewitter auf Korfu erlebt. Es hat so laut gedonnert, das ich aus dem Zelt geschlüpft bin, und unter einem Vordach verharrte, bis der sintflutartige Regen und das Donnern nachliessen. Das brauche ich heute nicht noch einmal, und so entscheide ich mich, mein Zelt hier abzubrechen, und in ein Hostel zu gehen. Mein Körper gibt mir ganz klar das Signal, nach Ruhe, Erholung und einer warmen Behausung.

Den Ort und den Namen des Hostels, hatte ich mir noch schnell in Albanien aus dem Internet geholt, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Wenn der Preis aus dem Internet stimmt, wäre das ein echtes Schnäppchen, vorausgesetzt es hat noch geöffnet, was bei Hostels um diese Jahreszeit nicht selbstverständlich ist. Das Hostel liegt in Ipsos, einem Touristenort direkt am Meer, der um diese Jahreszeit wie ausgestorben ist. Ohne Erfolg frage ich zwei Einheimische, und so versuche ich alleine den Weg zu finden. Der Ort ist nicht gross, und so stehe ich einige Minuten später vor dem Hostel. Der Anblick von aussen verspricht nichts gutes. Das mehrstöckige Haus sieht ziemlich geschlossen aus. Trotzdem betrete ich über eine Treppe das Hostel, und befinde mich in einem offenem Vorraum, links und rechts die Zimmer mit individuellen Namen. Niemand zu sehen, weder zu hören. Ich mache mich bemerkbar, und rufe ein paar Mal. Und plötzlich, höre ich wie sich die Tür von einem Zimmer öffnet. Ein freundliches Gesicht einer jungen Neuseeländerin erscheint im Türrahmen. Sie erklärt mir das der Besitzer nicht hier wohnt, er aber seine Handynummer an der Pinnwand hinterlassen hat. Sie meint der Preis wäre um die 10 € für eine Nacht. Prima. Fünf Minuten später habe ich den Betreiber am Ohr, er erklärt mir, das Zimmer Nr. 10 geöffnet sei, ich sollte hineingehen und er würde dann heute abend zum bezahlen kommen. Wieder einmal hat letztendlich alles geklappt. Das Zimmer ist eher ein Appartment mit Küchenzeile und Kühlschrank genau das was ich momentan brauche zum Erholen und Regenerieren. Als ich mich nach einer heissen Dusche auf das Bett lege, fange ich plötzlich an zu zittern. Zusätzlich glüht mein Gesicht. Schüttelfrost und Fieber. Ich packe mich in 3 Decken ein. So zittere ich mich durch die Nacht, am nächsten Morgen fühle ich mich richtig elend.

Ich hole mir Medikamente, verlängere meinen Aufenthalt um eine Nacht, kaufe viel Obst und Lebensmittel, und gönne mir viel Ruhe. Mit der Neuseeländerin, die als Backpackerin durch Europa reist, habe ich viele interessante Gespräche, beim Abschied tauschen wir die Emailadressen, wieder ein Kontakt mehr in der Welt, und eine Einladung, falls es mich einmal dahin verschlägt.

Am nächsten Tag rufe ich den Griechen an, der mir von der Casa empfohlen wurde. Er hat schon auf meinen Anruf gewartet, ja er möchte am Montag mit der Ernte beginnen , und sucht händeringend noch Leute dafür. Als Gegenleistung kann er mir eine kostenfreie Unterkunft und eine warme Mahlzeit am Tag anbieten. Hört sich sehr gut an, ich erkläre ihm das ich noch ein wenig krank bin, und erst morgen zu ihm kommen kann.

Der nächste Morgen, fühlt sich schon viel besser an, und so lerne an einem Samstag im November, vier Tage nach meiner Ankunft auf der Insel, Apostolos kennen, ein junger Grieche in den dreißigern, der mit seiner Freundin und seinem kleinen Sohn, von Paris nach Korfu zurückgekehrt ist, und nun versucht auf dem riesigen Grundstück einer alten Olivenpresse, eine organische Farm aufzubauen, mit dem Anbau von Gemüse, Orangen, Zitronen und dem Herstellen von biologischen Olivenöl. Alle zwei Jahre können die rund 200 Bäume abgeerntet und beschnitten werden, dieses Jahr ist es wieder soweit.Und so fanden zwei Leute zur rechten Zeit und zum rechten Ort zusammen.

Seit zwei Wochen bin ich nun bei der Ernte dabei. Es ist harte Arbeit keine Frage. Die Oliven müssen so schnell wie möglich vom Baum, da sie momentan noch grün sind, was heißt, sie reifen noch weiter bis sie dunkel werden. In dem jetzigen Zustand sind sie aber besonders frisch, und das gewonnene Öl bekommt einen besonderen Geschmack, bitter und ein wenig scharf. Beides ist ein Zeichen für eine gute Qualität, soviel habe ich schon gelernt, und auch schon geschmeckt

Jeden Morgen geht es um acht Uhr in den Hain, mit den anderen Arbeitern aus dem Dorf. Die Bäume werden mit der Motorsäge freigeschnitten, auf dem Boden liegen Netze, auf denen die Oliven gesammelt werden. Mit einem Stock oder einem Handrechen werden die Oliven von den Ästen geholt. Danach geht es in ein Nonnenkloster hier auf Korfu, wo das Öl in Form eine Kalt Pressung gewonnen wird. Zuerst werden sie gesäubert und gewaschen, dann zu einer Pesto ähnlichen Paste zermahlen. Diese wird auf perforierte Platten gegeben und anschließend auf den Stahlzylinder der mechanischen Presse gestapelt. Bei 400 Bar wird langsam aus der Masse eine ölig-wässrig Flüssigkeit herausgepresst.

Dies ist aber noch kein Öl! Die Flüssigkeit wird in Eimern aufgefangen und kommt anschliessend in den 120 Liter Tank eines Abscheiders, der das Wasser von dem Öl trennt. Nach rund 3 Stunden Wartezeit, wird über einen Schlauch das nun reine Öl in einem Plastikkanister aufgefangen.
Frischer und biologischer geht es wohl nicht, und Apsotolos hat mir versichert, das wegen des hohen Aufwandes kaum einer mehr Öl in diesem Verfahren herstellt. Zeit ist Geld!

Ich habe das hier mal ausführlich beschrieben, damit man nachvollziehen kann, wieviel Arbeit es ist, einen Liter Öl in diesem Verfahren zu gewinnen. Das Verhältnis ist 1:10, also 10 Kg Oliven für 1 Liter Öl! Mittlerweile habe ich jeden einzelnen Schritt, vom Baum bis zum Öl, auch selbst durchgeführt.Einst ist jetzt schon klar, kalt gepresstes Olivenöl werde ich in Zukunft noch höher wertschätzen, als ich es ohnehin schon gemacht habe.

Als Gegenleistung für diese täglichen, mehrstündigen Einsatz, darf ich ganz alleine ein alters Bauernhaus mit Kamin bewohnen, bekomme alle Mahlzeiten gestellt, und kann jederzeit meine Wünsche und Gelüste auf Lebensmittel an seine Frau weitergeben.
Trotz des harten Jobs, eine gute Gelegenheit, verlorene Pfunde und Kraft wieder aufznehmen. Ich geniesse das tägliche draussen sein mit der angenehmen Novembersonne, die traditionelle griechische Küche (viel Bohnen,Linsen, kein Gyros und Bifteki, das ist hier Fastfood), und das knistern des Kaminfeuers am Abend.

Nun sind zwei Wochen rum, und auch diese Zeit nähert sich ihrem Ende. Die grosse Frage ist nun, wie geht es weiter nach meinem Aufenthalt auf Korfu? Ideen und Möglichkeiten gibt es, und gerade bin ich dabei diese auszuloten. Es ist alles dabei, es bleibt spannend, keep on watching.

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