Dienstag, 1. November 2011

Ein Hauch von Indien

Gesamt-Km: 2.800

Tag 51

Vom 5. Stock meines Hotels habe ich einen guten Überblick auf die Stadt, und die Strasse. Es wimmelt nur so. Vor Autos und Menschen. Jeder fährt wie er will, mehr oder weniger. Ampeln gibt es nur selten. Entgegen die Einbahnstrasse fahren, kein Problem. Keinen störts. Nun bin ich erst einen Tag in Albanien, und es erinnert mich immer mehr an ein Land: Indien.

Ich checke an der Rezeption aus. Wenn man unten das Hotel betritt, das Voyeur, die Bar und die Rezeption sieht, könnte man meinen, das Ritz-Carlton Hotel in Frankfurt zu betreten. Sieht man dann die Flure, und betritt sein Zimmer, fühle ich mich fast an mein erstes, und einzigste indisches Hotelzimmer erinnert. Nicht so verkalkt, versieft und miefig, das schafft nachwievor wohl kein europäisches, auch albanisches Zimmer, aber schon ein wenig in diese Richtung, kahle graue Wände, Sperrmüllmöbel, Bad mit zum teil nicht ganz weissen Wänden.
Ich will das nur mal so beschreiben, auf keinen Fall beschweren! Wenn man so lange unterwegs ist, gibt man sich auf jeden Fall mit wenig zufrieden, und es war völlig ausreichend, ich konnte mal wieder auf einer Matratze schlafen, und hatte eine heiße Dusche, für mich alleine und solange ich wollte. Radler, was willst du mehr?

Nachdem ich mir eine Karte und einige andere Infos in der Tourist-Info geholt hatte, ging es endlich wieder auf die Strasse. Blauer Himmel und Sonne. Ich schlängelte mich durch den Verkehr, bremsen, ausweichen, mitfliessen. Wie in Indien.
In einem kleinen Lokal, aß ich zu Mittag. Zwei Portionen Reis, 1 Wasser, 1€.
Bevor es auf die stark befahrene Bundesstrasse Richtung Durres ging, machte ich noch einen Abstecher an den Skhader-See, immerhin der grösste Binnensee des Balkans.

Auch hier kommen sofort Erinnerungen hoch. Entlang des Ufers überall Müll, halbfertig gebaute Häuser. Aber Ruhe. Und Natur. Zugvögel in Ihrem Winterquartier, der Blick schweift über das weite Blaue.
Genug getankt, nun auf in den Kampf, zurück auf die Bundesstrasse. Das einzige gut daran. Es geht schnurrgerade aus, kein Wind, Flach wie ein Brett. Eine echte Erholung, und Freude, nach dem kräftezerrenden Auf und Ab entlang der Küste.

Ja sie fahren wie die Gestörten, überholen trotz Gegenverkehrs, vor Kurven. Aber die Autos halten einigermassen Abstand, wenn sie an mir vorbeiziehen. Wenn ein LKW von hinten angerauscht kommt, hupt er meistens kurz, um mir zu sagen, ich überhole dich jetzt. Nicht als Empörungssignal sondern als Warnsignal. Auch manche Autos machen das. Einige hupen, winken mir zu.
In dieser Fläche kann ich Strecke machen, die Räder surren. So hält es sich ganz gut aus, und ich komme auf diesem "Highway to Hell", gut voran. Aber nach rund 50 km, brauche meine Ohren und Lugen Erholung, das wird wohl mein Tagesdurchschnitt hier werden.

In der nächstgrösseren Stadt, Lezhe, biege ich ab. Nun heisst es einen passenden Schlafplatz zu finden. Am besten drinnen. Falls es einen Campingplatz gibt, auch gut, falls er umzäunt ist. Ich fahre durch die Stadt, Stau, Hupen, Mopeds, Strassenhändler, Abgase. Zuerst fahre ich ein wenig Richtung Strand. Kurz erfasst mich der Gedanke, es vielleicht doch zu probieren, irgendwo sichtgeschützt mein Zelt aufzustellen. Den verwerfe ich schnell. Von jeder Ecke her, höre ich Hundegebell, viele Wiesen sind umzäunt, oder Reste von Zäunen zu sehen. Kein gutes Gefühl.
Also zurück in die Stadt. Bisher habe ich nur ein Hotel gesehen, ein "Ambassador" Hotel. In anderen europ. Ländern, würde ich mich noch nicht mal trauen nach dem Preis zu fragen. Hier muss ich, außerdem bin ich in Albanien.

Das Hotel wird von einem Italiener betrieben. Überhaupt, wimmelt es hier von Italienern, ausländische Kennzeichen, nur aus Italien, bisher. Er möchte 35€ für eine Nacht, zeigt mir das Zimmer, westlicher Standard, klar.
Er geht bis auf 20 runter, was mir aber immer noch zuviel ist. Letztlich einigen wir uns auf 10, im Garten des Hotels.

Nach den Formalitäten, frage ich Ihn, seit wann er in Albanien lebt. Und was er zur Sicherheit und Leute sagt. Da habe ich genau den richtigen gefragt. Sein Hauptberuf ist nämlich Anwalt. Und dann erzählt er. Und was! Nicht für 1 Million Euro würde er freiwilig irgendwo draussen schlafen. Ein junger Tscheche wurde tot in den Bergen gefunden. Jeder Besitz hier Waffen. Letzte Woche hatte er einen Fall, wo ein Albaner einen anderen, wegen einer kleinen Delle im Auto, erschossen hat.
Eine Geschichte nach der anderen aus der Räuberpistole. Danach bin ich bedient.
Lege mich in mein Schlafsack, und bin froh im Garten eines Hotels zu schlafen. Hier ist es sicher, meinte er noch.

Ich denke über das Gespräch nach. Ok, er ist Anwalt, die sind bekannt zu übertreiben, pauschalisieren und Angst einzuflössen. Aber auch wenn er ein wenig überzogen hat, deckt es sich mit meinem Gefühl. Das hier ist nicht mehr Europa,das ist ein Land mit anderen Spielregeln! Dafür lohnt ein Blick in die Geschichte, die jüngere. Ende der 90er Jahre herrschte hier 3 Jahre Anarchie. Das spürt man heute noch, wenn ich die Leute betrachte, die Verhaltensweisen. Es gibt einen gewissen Abstand zu Fremden, wahrscheinlich auch mehr aus Selbstschutz, der könnte ja ne Waffe haben?!

Tag 52

Am Morgen zeigt mir der Anwalt noch einige schöne Städte und Strände auf meiner Karte, entlang der Küste. Nun habe ich eine Nacht drüber geschlafen. Nun ist es klar. Wild campen fällt für Albanien aus. Tja, schön wärs gewesen. Mit meinem Tages-Budget, hätte ich hier essen und trinken können, wie Gott in Frankreich. Nun geht das alleine für Zimmer drauf. Mindestens. Aber gut, lieber täglich mehr zahlen, als sie zu sparen, und am Ende mit einem Raubüberfall oder schlimmeren bezahlt zu haben.
Es ist die Balance zwischen übertriebener Angst und angemessenen Verhalten. Die gilt es in jedem Land herauszufinden, insbesondere für solche Länder wie Albanien.
Trotzdem heisst es weiterhin, Gelassenheit und Ruhe zu bewahren, gepaart mit gesundem Menschenverstand.

Weiter auf dem Highway. Der Advokat hat mir als heutiges Tagesziel die Stadt Kruje empfohlen, ein paar KM von der Hauptstrasse entfernt, und in den Berge. Aber wunderschön. Ok, ist progammiert.
Mein 2. Tag auf der Strasse. Ab und an , sieht man links und rechts am Strassenrand, Kühe grassen. Nicht heilig wie in Indien. Aber es stört genauso keinen. Dann komme ich an ein paar "Metzger" vorbei. Direkt an der Strasse, Kleine Bruchbude. Darin oder auch unter dem Vordach, wird die Ware dem Kunden pfeil geboten. Schön in der Sonne, damit der hungrige Kunde, auch genau sehen kann, welche Stück von der Hälfte er auf seinem Teller haben will. Kühlung, pah für wen? Auf jeden Fall nicht für die Einheimischen. Wie froh bin ich mal wieder, Vegetarier zu sein.

Und dann bleibe ich stehen. Vor einem grossen Schild, mit einem Symbol das ich aus Deutschland kenne: Autobahn. Es gibt eindeutige Verbotszeichen, wer darauf nicht fahren darf, offiziell. Genau so wie wir es kennen, Fußgänger, Fahrräder, Mopeds. Und hier, Eselskarren.
Ich stocke kurz, was jetzt? Dann schaue ich ein paar Meter nach vorne, und was sehe ich, eine Eselskarre, ein Moped, und irgendwo links laufen ein paar Menschen.
Auf gehts. Ich fahre mit dem Fahrrad auf einer Autobahn irgendwo in Sudosteuropa, rechts auf dem Standstreifen! Keiner hupt, oder gibt mir zeichen, ob ich einen Vogel habe. Nach ein paar KM fahre ich sogar an zwei Polizisten vorbei. Nichts passiert. Ich schaue nach vorne und fahre weiter. Das ist Albanien, oder "Indien light" in Europa.

Nach gut 45 km erreiche ich die Abfahrt nach Kruje. Nun geht es noch 10 km serpentinenartig nach oben, bis ich endlich die Kleinstadt in den Berge erreiche. Im Hotel Panorama, frage ich nach Nachlass für einen Langzeitradler, und bekomme diesen sogar. Diesbezüglich werde ich immer unverfrorener. Für den heutigen Tag, werde ich mit einem Zimmer mit herrlichen Ausblick auf Burg und Ebene belohnt. Und mit einer Dusche, und einem Frühstück am nächsten Morgen.
Morgen steht nun Durres an, die zweigrösste Stadt nach Tirane, direkt am Meer. Evtl. habe ich dort die Möglichkeit bei einem Couchsurfer unterzukommen.

Ein verrücktes, ein anderes Land, in dem man sich anpassen muss, und das einem dann, vielleicht sogar seinen Charme zeigt.

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