Samstag, 14. Januar 2012

Über Gott und die Welt Teil 1

Einleitung

Dieser Artikel, der nun mehr zu einem Essay geworden ist, liegt mir schon seit Kroatien sprichwörtlich auf der Seele. Endlich habe ich hier die Zeit und Muse gefunden, ihn zu verfassen und heute zu veröffentlichen.

Nach Zadar, traf ich am nächsten Tag auf einem eigentlich geschlossenen Campingplatz zwei Schweizerinnen. Wir drei waren die einzigsten Zelter auf diesem Platz, und mussten noch nicht einmal etwas bezahlen, da der Besitzer nie auftauchte.
Ich traf schon in den frühen Morgenstunden ein, da ich einfach müde war, und hier einen halben Ruhetag einlegte. Die beiden Schweizerinnen, Anja und Charlotte*, waren seit 2 Tagen auf dem Platz. Sie machten eine Rundreise mit Ihrem Auto entlang der italienischen und kroatischen Küste. Schnell kam man ins Gespräch, was nicht schwer ist wenn man nur zu dritt auf einem Campingplatz ist, und zudem nur zwei Plätze voneinander entfernt liegt.

Ich wusch meine Wäsche, legte mich in die Sonne, und machte ein paar Einkäufe. Die beiden Eidgenössinnen waren tagsüber auch unterwegs, und kamen erst am späten Nachmittag zurück. Sie waren gerade dabei ihr Abendessen auf einem eindeutig grösseren Gaskocher als meinen zu zubereiten, als ich zu Ihnen kam um ein wenig zu plaudern.

Ich hatte schon gegessen, wurde aber prompt von Anja auf einen Teller Reis und ein Glas Weißwein eingeladen. Das nenne ich mal Schweizer Gastfreundschaft. So saßen wir an einem lauen Oktoberabend gemütlich zusammen und fingen an zu plaudern.
Nach wenigen Sätzen über meine Radtour und Ihre Autoreise, kamen wir irgendwie auf das Thema Religion. Schnell stellte sich heraus, die beiden sind Zeugen Jehovas! Eindeutig die Jüngsten ( 20 und 21) die ich jemals getroffen habe, oder überhaupt traf. Ich musste zuerst mal überlegen, und kam dann zu dem Entschluss, bei mir standen noch nie welche vor der Haustür. Diese Gelegenheit wollte ich natürlich nutzen, um mehr über diese Glaubensgemeinschaft zu erfahren, und so entstand eine interessante Diskussion über Gott und die Welt, im wahrsten Sinne des Wortes.

Eines möchte ich von vornherein klarstellen. Die beiden waren sehr nett und hilfsbereit, luden mich zum Essen ein. Das hat sie in erster Linie als hilfsbereite und freundliche Menschen ausgezeichnet. Ob sie Zeugen Jehovas sind oder Osho-Jünger, bleibt davon völlig unberührt, und spielt für mich auch keine Rolle. Mir haben sie sich als freundliche Mitmenschen präsentiert, und das war das Entscheidende. Danach habe ich sie beurteilt und nicht nach ihrer frei gewählten Glaubensrichtung. Natürlich, diese Gemeinschaft ist für ihren missionarischen Eifer bekannt ist, von dem ich aber an diesem Abend nichts bemerkte. Ich respektiere voll und ganz Ihre Entscheidung und Ihre gewählte Glaubensrichtung, so wie ich jede andere Richtung auch respektiere. Jeder sucht sich sein eigenes Heil.

Trotz dem eben gesagten, muss es möglich und erlaubt sein, auch kritische Anmerkungen dazu zu machen. Und auch diesbezügliche Fragen zu stellen, was ich auch machte, wie ich es nun darstellen werde. Ich war neugierig endlich mal etwas über die Motive und Ziele dieser Gruppe zu erfahren, die man bei uns nur vor Supermärkten oder vor der eigenen Haustür sieht. Insbesondere von zwei solch jungen Menschen, die sich diesem Glauben voll verschrieben haben, wie ich schon nach kurzer Zeit feststellte. Im Grunde ging es mir um zwei Fragestellungen: Warum lauft ihr von Haustür zu Haustür, und was wollt ihr damit erreichen?

Frage eins war relativ schnell klar: Missionieren. So formulierten es die beiden natürlich nicht, sondern eher in die Richtung, die Leute aufzuwecken, und von der „Wahrheit“ zu überzeugen. Das haben wohl grundsätzlich alle monotheistischen Religionen gemein, ob der Pfarrer von seiner Kanzel predigt, oder ein Zeuge Jehova's vor der Haustür steht. Was mich schon immer an diesem missionieren störte, war der Anspruch einer absoluten Wahrheit , und der Absolutismus der eigenen Religion, und somit die Nichtigkeit der anderen Weltreligionen und Weisheitstraditonen. Statt das zu Verbindene zu suchen, wird der Fokus auf das Trennende und Unterschiedliche gelegt. Und, auch wenn es immer wieder gerne geleugnet wird, mehr Schäfchen im Stall bedeutet auch mehr Münzen im Klingelbeutel.

Nach einigem hin und her, ein paar kritischen Kommentaren und Anmerkungen meinerseits kam die ultimative Gegenfrage von Anja:„ Warum gibt es dann das Böse in der Welt?!“
Da war Sie, die Frage der Fragen! Warum gibt es Kriege, Morde, Hunger, Vergewaltigungen, Diebstähle, Schlägereien, fiese Chefs, Drogen und das Dschungelcamp auf RTL??
Ich wollte zuerst mal nichts darauf antworten und fragte Sie.

Antwort Anja: Weil in uns Menschen das Böse ist! Luzifer, Satan, der Teufel spielen hier eine Runde mit. In seiner grenzenlosen Liebe hat Gott uns die von ihm erschaffene Erde übergeben, damit wir sorgsam mit ihr umgehen, und hier ein schönes Leben haben. Wie wir alle wissen, sieht die Realität leider anders aus. Deshalb wird Gott sehr bald eingreifen, um all die Fehlentwicklungen - und Tritte der Menschheit zu korrigieren und das Königreich Gottes auf Erden wieder herzustellen.

Wow, das war mal eine Antwort. Nun kommt der Haken an der Geschichte: Nur die Gläubigen, die „Werke“ vollbringen, und Ihr Leben ganz nach seinen Regeln ausgerichtet haben, also zum Beispiel Anja und Charlotte, werden dann im Königreich Gottes leben dürfen, im neuen Paradies auf Erden. Der ganze Rest, und das dürfte momentan wohl die Mehrzahl der Menschheit sein, inkl. mir, haben ganz schön gelitten. Wir leben nicht im Einklang mit den Geboten und Regeln der Bibel, wie zum Beispiel kein Sex vor der Ehe, Besuch von Gottesdiensten, Bibelstudium, und gehen nicht von Haustür zu Haustür, um die Menschen vor der Verdammnis zu retten. Somit haben wir keinen Platz im neuen Königreich auf Erden, und werden in der Verdammnis landen!

Ich insistierte, was ich denn tun könnte um diesem Elend zu entgehen.
Anja: „Erkennst du die Bibel als Autorität an?“
Ich: „Nein!“
Anja: „ Tja...“
Das wars dann wohl mit meiner Rettung!

Irgendwann wurden wir alle müde und gingen in unsere Zelte. Ein wirklich interessanter Abend, mit einem interessanten Gespräch. So interessant, das ich mich während der nächsten Tage und Wochen immer wieder daran erinnerte. Beim Abschied am nächsten Tag, gab mir Charlotte eine Ausgabe Ihrer „Mitgliederzeitung“ mit. Während der Tour lass ich sie mir durch. Harter Stoff, da haben sich einige Leute wirklich Gedanken gemacht.
Ein Beispiel? „Heute ist wissenschaftlich anerkannt, dass dass Universum einen Anfang hatte, womit der Glaube an einen Schöpfer ohne weiteres übereinstimmt: „ Im Anfang erschuf Gott die Himmel und die Erde“ (1. Mose 1:1) Ganz anders verhält es sich, wenn man das Leben und das Universum als das Werk eines genialen Schöpfers sieht, der über eine Fülle dynamischer Kraft“ oder Energie verfügt. Das würde erklären, woher die komplexen Informationssysteme des Lebens kommen, und warum in aller Materie – von den gewaltigen Galaxien bis zu den winzigen Atomen – äußerst fein abgestimmte Kräfte wirken (Jesaja 40:26)"

Eine Vermischung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Zitaten aus der Bibel.
Mit diesem Essay, möchte ich versuchen ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, und den aufgeworfenen Fragen und Thesen nachspüren. Das ganze geschieht auch für meine eigenen Fragen. Irgendwo lass ich mal „spirituell, aber nicht religiös“. So würde ich mich selber einschätzen. Ich glaube durchaus an eine unsichtbare, universelle oder auch göttliche Kraft, die in uns und in allem Formen auf der Erde wirkt. Und vor allem, glaube ich an eine universelle (göttliche) Führung im Leben, wenn man sie erkennt und sich darauf einläßt. Mittlerweile besteht da nach so vielen Erfahrungen auf meinen Reisen, kein Zweifel mehr.

Soviel zur Einleitung. Beginnen wir mit dem „Bösen in der Welt“.

Gut und Böse

Denn an sich ist nichts weder gut noch böse; das Denken macht es erst dazu.
William Shakespeare, Hamlet

Gut und Böse.Schwarz und Weiß. Tag und Nacht. Warm und Kalt. Christ oder Moslem. Man könnte die Reihe beliebig lange fortsetzen. Dualismen oder Gegensätze aus denen unsere Welt besteht und hervorgeht. Alina ging es ja darum, um die beherrschende, für Sie unbeantwortete Frage: Warum gibt es das Böse in einer Welt die erfüllt ist mit der Liebe Gottes?

Was ist Böse? Was ist Gut? Ist man böse wenn man seine Frau schlägt, das Finanzamt betrügt oder Konflikte mit Gewalt löst ? Ohne Zweifel, viele würden das so sehen. Heißt das dann im Umkehrschluss, der Mensch ist automatisch Gut, wenn er seine Frau nicht schlägt, ordentlich seine Steuern bezahlt und Konflikte mit Reden löst?
In den letzten Jahrhunderten haben sich die Philosophie und die Religionen darüber den Kopf zerbrochen, mit teils ganz unterschiedlichen Aussagen. Hier ein paar Beispiele:


Taoismus
„Das Dao hat im Daoismus die Bedeutung eines der ganzen Welt zugrunde liegenden, alldurchdringenden Prinzips. Es ist die höchste Wirklichkeit und das höchste Mysterium, die uranfängliche Einheit, das kosmische Gesetz und Absolute. Aus dem Dao entstehen die „zehntausend Dinge“, also der Kosmos, und auch die Ordnung der Dinge entsteht aus ihm, ähnlich einem Naturgesetz, doch ist das Dao selbst kein omnipotentes Wesen, sondern der Ursprung und die Vereinigung der Gegensätze und somit undefinierbar.
Das Wirken des Dao bringt die Schöpfung hervor, indem es die Zweiheit, das Yin und das Yang, Licht und Schatten hervorbringt, aus deren Wandlungen, Bewegungen und Wechselspielen dann die Welt hervorgeht“

Christentum"Aus einer von Jesu Botschaft inspirierten Sicht kann das Böse als solches nicht von Gott gewollt sein, dies widerspräche Gottes alle Geschöpfe umfangender Liebe. Die Möglichkeit des Bösen resultiert daher aus christlicher Sicht aus der Fehlbarkeit endlicher, von Gott zu verschiedenen Stufen selbständigen Wirkens ermächtigter Wesen“

Philosophie
"Benedict de Spinoza kennzeichnete das Böse als subjektive Zuschreibung: das was die Selbstbehauptung des Einzelnen hemme, nenne der Betreffende „böse“ (entsprechend umgekehrt gilt dies ihm zufolge ebenso für den Begriff „gut“)“

„Im Handbüchlein der Moral beschreibt Epiktet dass ebenso, wie ein Ziel nicht zum Verfehlen aufgestellt werde, das Schlechte kein Ziel sein und in der Weltordnung und im Sein keine Erstursache haben könne. Das Böse könne jedoch auch als solches angestrebt werden. Dabei wirft Wille zum Bösen die Frage nach dem Ursprung des Bösen auf.“

- Quelle: Wikipedia-
Wir sehen, ganz unterschiedliche Ansichten und Aussagen. Meine ganz persönliche Interpretation ist, das wir bei der Geburt aus dem reinem Gewahrsein oder Bewußtsein in eine körperliche Form geboren werden. Dadurch vergessen wir zuerst einmal unseren Ursprung, und machen unsere Erfahrungen als menschliches Wesen (Kleinkind, Prägungen, Erziehung, Schule, Beruf, Familie usw.) Und diese sind bestimmt nicht immer gut, schön und nett, sondern auch unangenehm, schmerzlich und leidvoll. So beginnen wir uns als menschliche Wesen zu entwickeln, und kreieren aus diesen Erfahrungen unsere eigene, individuelle Lebensgeschichte, an die wir uns immer wieder zurückerinnern, die uns oft belastet, und die wir manchmal am liebsten abschütteln wollen. Unser Gehirn produziert offensichtlich einen endlosen Gedankenstrom, der dazu führt, dass wir meistens in der Vergangenheit verharren, oder von einer rosigen Zukunft träumen. In der Gegenwart, im jetzigen Moment sind wir meistens nie, vielleicht kurz, aber nie ganz!

Tabula Rasa
"Der Philosoph John Locke verwendet diese Vorstellung als Metapher für den menschlichen Verstand bei der Geburt („ein unbeschriebenes Blatt“). Dieser wird im Verlauf des Lebens durch die Erfahrung geprägt.“

Quelle: Wikipedia

Schlussfolgerung

Gut und Böse entstehen erst durch uns, unsere Tat. Wir sind geprägt und konditioniert durch verschiedenste Personen und Umstände:Kindheit, Erziehung, Schule, Freunde, Partner, Familie Kollegen, TV, Werbung, Medien.
Bei vielen läuft das wie ein automatisches Programm ab, das sie lenkt und steuert, und glauben lässt, ich kann daran nichts ändern, so bin ich. Die Ausschaltung dieses Automatismus liegt im Gewahr werden. In dem Moment, in dem wir uns unserer Handlung voll bewußt werden,uns nicht blindlings unserer Wut, Aggression oder Gier hingeben, haben wir eine Wahl, haben wir einen freien Willen uns anders zu verhalten, wie es uns unser konditionierter Geist weiß machen will. Der Schlüssel liegt in der Achtsamkeit, in dem kurzen Moment des Innehalten unmittelbar vor der Handlung. Und dann können wir sehr wohl entscheiden, ob wir zuschlagen, betrügen, mißhandeln, verspotten, oder nicht. Wir haben die Wahl, immer!

*Namen wurden geändert

- Fortsetzung folgt -

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