Freitag, 23. März 2012

Bella Italia

Tag 2: Treviso - Feltre

Nach dem Aufwachen überlege ich einen kurzen Moment ob ich eine kleine Spende für das Kloster geben soll und für meine Übernachtung. Ein Gefühl von etwas schuldig sein beschleicht mich. Dann fällt mir aber ein, was ich mir für diese Rückfahrt vorgenommen hatte. Und schon ertappe ich mich bei dem alten "systemischen Denken", jedes Geben, jede Leistung, ist gleichzeitig mit einer Gegenleistung verbunden. Was gibts du mir, was gebe ich dir, das Credo und die Maxime in einer Leistungs- und Konsumgesellschaft. Du kannst mir keinen materiellen Gegenwert geben? bye bye! Wenn selbst die Kirche dieser Maxime verfallen ist, wo sonst, sollte man dann in einer modernen Gesellschaft noch das Gebot des selbstlosen Gebens, des Teilens aus dem Herzen  heraus finden, wovon soviele Bücher auf Bestsellerlisten  und eigene Protagonisten sprechen ( Mutter Theresa). Genau darum geht es mir ja, dieses Geben, in den Ritzen und Nischen einer seelenlosen und Ichbezogenen Leistungsgesellschaft zu finden. Also packe ich meine Sachen, gehe nach unten, verabschiede mich herzlich von dem Patre und habe den Eindruck, dass jeder mit einem guten Gefühl seinen neuen Tag beginnt.

Heute wollte ich es das erste Mal wagen: Zu einem Supermarkt gehen und nach aussortierten Obst und  Gemüse  fragen. Das Ergebnis war ernüchternd. Einmal war dort die Sprachbarriere, aber vielmehr die Klischee und Vorurteilsbarriere. Zuerst fragte ich an dem Info-Point, mit ein wenig Englisch ging das. "Not possible". Beim nächsten fuhr ich direkt zum Hintereingang, wo die Container stehen. Wieder wollte ich zuerst einen Mitarbeiter ansprechen, bevor ich eigenmächtig herumsuche. Sofort spüre ich Ablehnung, "no possible", und werde sanft nach draussen getränkt. Ich kann förmlich das Bild des Landstreichers, Obdachlosen oder Junkies aus seinen Augen ablesen. Flüchtig und ablehnend öffnet er die Luke eines riesigen Containers, der bis oben hin mit Obst und Gemüse gefüllt ist, das aber schon total zermatscht und vergammelt ist. Ich gehe in den Supermarkt und kaufe mir Brot, Käse und Bananen. Aber so schnell gebe ich nicht auf, ich werde es weiter versuchen!

Der Tag endet in Feltre mit einem überwältigend Beweis von Gastfreundschaft.  Ich erreiche die Stadt und frage einen jungen Italiener auf dem Rad, nach dem Weg zur Tourist-Info. Er spricht ganz gut Englisch und ist so freundlich mich bis vor deren Eingang zu begleiten. Als er mein Fahrrad so anschaut, ist er gleich ganz neugierig und interessiert, wo ich herkomme, wo ich hin will und so weiter. Ich erzähle ihm meine Story und mein ambitioniertes Vorhaben für die Rückfahrt nach Frankfurt. Als ich ihm sage, das ich noch nicht weiß, wo ich heute nacht schlafen werde, ich aber diesbezüglich völlig angstfrei geworden bin, fängt er an zu überlegen. Plötzlich zückt er sein Handy. Als das Gespräch beendet ist, dreht er sich zu mir um und meint: Wenn du willst kannst du heute nacht bei uns schlafen! Er hat eben mit seiner Freundin telefoniert. Eine Stunde später sitze ich bei Alberto und Rosana am Tisch und esse Pasta und Radicchiosalat. Sie sind  in meinem Alter und interessieren sich sehr für meine Reisen. Alberto überlegt schon lange, auch einmal "auszubrechen". Er liesst viele Bücher darüber, spielt Gitarre, schaut kein TV und interessiert sich für Buddhismus und Meditation. Somit hatten wir eine breite Grundlage für viele interssante Gespräche an diesem Abend. Wieder einmal haben sich zwei Menschen zur rechten Zeit, am rechten Ort getroffen. Der "Zufall"  arbeitet manchmal sehr präzise!

Tag 3: Feltre - Trento

Heute startete ich noch leichter als sonst. Mein Tagesziel war Trento. Dafür musste ich durch das lange, aber schöne Valsugana Tal. Und dort hatte ich bereits einen sicheren Schlafplatz. Für Trento hatte ich mir einige "Warmshowers" Kontakte herausgeschrieben und gestern von der Tourist-Info aus verschiedene angerufen. Wieder einmal hat es kurzfristig geklappt und eine Radlerfamilie erwartete mich für heute abend in Ihrer Wohnung. Auch wenn sich nichts ergeben hätte, wäre ich beschwingt wieder aufs Rad gestiegen und hätte den Dingen ihren Lauf gelassen. Aber eine sichere Aussicht auf eine Dusche, eine warme Mahlzeit und ein Bett machen das ganze noch schöner. Die Sonne lachte und der Radweg "Via Claudia Augusta", führte mich auf ruhigen Nebenstrassen und entlang des Flusses durch das Tal. Nach rund 100 km landete ich abends erschöpft und hungrig vor der Wohnung von Antonella und ihren Kindern. Nach einem weiterem leckerem Abendessen mit freundlichen Menschen, mit Pasta, Kartoffelbrei und netten Gesprächen über das Radreisen, fiel ich irgendwann spätabends müde auf meine Couch und versank in einen traumlosen Schlaf.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen