Freitag, 23. März 2012

Über die Alpen

Tag 6: Sterzing - Innsbruck

Die letzten 20 km bis zum Pass, waren definitiv die anstrengendsten. Zuerst verusuche ich es über den Radweg, der ganz neu angelegt wurde. Hinter Gossensass geht es steil hinauf. Hier oben liegt noch Schnee, zumindest in den Wäldern und am Strassenrand, bestimmt 50 cm. Und nach einigen Metern auf dem Radweg: Schneefelder. 50-100 Meter lang, aber weiter vorne sehe ich schon neue. Und am Hang? Mit 28 kg ist es mir zu gefährlich. Ich rede mit einem Bauern und entscheide mich dann auf die Strasse zurückzukehren. Viel Verkehr ist hier nicht, da die meisten die Brennerautobahn nutzen. Steile 6 km quäle ich mich nach oben, dann habe ich es geschafft, ich stehe am Brennerpass.

1.370 Meter
 An einer Tanke ruhe ich mich aus, packe mich dick ein und dann gehts zur rauschenden Abfahrt. Fast 30 km nur bergab oder auf flachen Stücken. Am späten Nachmittag komme ich in Innsbruck an. Hier ist zwar weniger Schnee, aber dafür noch ziemlich kalt.  Ich versuche es wieder im Kolpinghaus. Diesmal ohne Erfolg. Es gibt keine Garantie für das Antreffen von Verständnis. Der kleine, untersetzte Mann überlegt, ich sehe ihm seine Zweifel an, sein Hin und Hergerissen. Dann kommen die Sprüche der Isolation und Angst"Wir können nicht die ganze Welt aufnehmen" "Dann kommen bald alle und wollen nix mehr zahlen". Alles Übertreibungen und Ausflüchte. Aber wie gesagt ich versuche zu verstehen, auch wenn das nicht immer leicht ist. Ein Platz im Keller oder sonstwo fndet sich immer.  Der Chef sitzt ihm im Nacken und er hat Angst um seine Existenz. Ich gehe und schlage mein Zelt hinter einem Spielplatz auf. Relativ kalte Nacht, ich muss mich ziemlich einmumen. Es sollte die einzigste Nacht im Zelt bleiben für die nächsten Tage!

Tag 7: Innsbruck - Wiesing

Heute ist Sonntag und ich möchte versuchen eine warme Mahlzeit zu bekommen. Von der Caritas, von der Kirche, von wem auch immer. Von der Tourist-Info bekomme ich die Information das es eine Notschlafstelle von der Caritas gibt. Dort möchte ich mir weitere Infos holen. Ich möchte ja auch sehen, wer auf soziale Einrichtungen angewiesen ist. Als ich in den 1. Stock der Notschlafstelle gehe, ist das relativ schnell klar. In einem verrauchten Raum sitzen an einem Tisch fünf männliche Gestalten, die diese Einrichtung wohl regelmäßig aufsuchen. Es sind alles Drogenabhängige. An der Tür hing ein Zettel, wo man sterile Spritzen bekommt, falls es hier geschlossen ist. Ein junger Mann von der Caritas lächelt mich an. Er fragt mich, ob ich weiss, was das für eine Einrichtung ist. Ich grinse und sage ja. Zum Glück entschied ich mich gestern für das Zelt! Er fragt einen der Rauchenden am Tisch und bekomme dann 3 Anlaufstellen für eine kostenfreie Speisung zu Mittag. Man kann auch sagen Armenspeisung. Ich entscheide mich für ein Kloster in der Innenstadt, bei den "Serviten". Um 11.15 gibt es dort eine Klostersuppe mit Brot. Um 11 Uhr stehe ich im Vorraum. Ich setze mich auf eine Bank und schaue mir an, wer hier alles so reinkommt. Die meisten sind Obdachlose, leicht zu identifizieren an den Tüten. Aber auch zwei Reisende, mit schweren Rücksacken, wahrscheinlich Italiener. Ein Mönch kommt und schaut wieviel Leute da sind. Dann kommt er mit 10 Schalen Suppe auf einem grossen Tablet zurück. Wir sprechen zusammen ein Gebet und bekreuzigen uns.  Eine "Flädlesuppe" mit Einlage und für jeden eine Scheibe Brot. Während des Essens fragt mich einer der Italiener ob ich "Italano" sei. Ich grinse und sage no, Deutscher.

 Weiter entlag des Inn auf dem Radweg. Bei Jenbach biege ich links ab, in die Berge. Vom Inntal muss ich noch einen Pass überwinden, um nach München zu kommen. Es geht hoch zum Achensee, ca. 5 km, aber 400 Höhenmeter sind zu überwinden. Ich fahre ungefähr bis zur Hälfte und schaue dann auf die Uhr. Links und rechts liegt noch die weisse Pracht. Es wird zu spät, ich muss mir eine Bleibe suchen. Zelten fällt aus. Ich fahre in Richtung einer Ansammlung von Häusern, die aus dem weißen Meer hervor stechen. Und wieder einmal ist mir das Glück hold. Ok, mittlerweile bin ich ja auch ziemlich direkt, aber nie bettelnd. Ich erzähle einfach von meiner Reise und frage nach einer kostenfreie Schlafstelle. In islamischen Ländern werden Radreisende von der Strasse aus in das Haus eingeladen, ohne überhaupt was sagen zu müssen. Einfach aus Traditionellen und kulturellen Gründen der Gastfreundschaft und als Anerkennung für die gemachte Reise. Aber das nur am Rande. Nun bin ich in Europa, genauer in Österreich, und bisher habe ich sehr viel Gastfreundschaft erlebt. So auch heute. Ich lande auf einem Ferienbauernhof und darf in einer Ferienwohnung schlafen. Wieder eine nette Bauernsfamilie. Ich schreibe einen längeren Eintrag in das Gästebuch und nehme ein paar Visitenkarten am nächsten Morgen mit. Das ist das mindeste was ich tun kann und für hilfsbereite Menschen mache ich es gerne. Ich verspreche der Frau eine Postkarte zu schicken, wenn ich in Frankfurt angekommen bin. Heute kann ich mich gut erholen, duschen, ausreichend schlafen um morgen die restlichen Kehren in Angriff zu nehmen. Für Morgen ist ein Wetterumschwung angekündigt und ich stelle mich auf Regen ein. Es sollte noch besser kommen!

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