Mittwoch, 12. Oktober 2011

Kroatien: Von den Bergen ans Meer

Gesamt-KM: 1.760

Tag 27

Erholt startete ich von dem Campingplatz. Die ersten 8 KM blieb es noch trocken, aber in den fernen Bergen kündigten dicke Wolken schon den Regen an. Wasserdicht eingepackt gehe ich es an. Der Regen läßt nicht lange auf sich warten. Ich erreiche die ersten Anstiege, und schon fängt es an zu prasseln, aber wie, gleich richtig stark. Die Regenhose ist von einem Fachgeschäft, die Jacke vom Discounter, sodass es nicht lange dauern wird, bis ich durchweicht bin. Der Regen wird immer stärker, ich schaue nach den ersten KM am Hang, nach einer Unterstellmöglichkeit.

Links sehe ich ein Haus, ohne lange zu überlegen steuere ich darauf zu. Hinter einem Schuppen kommt plötzlich der Besitzer hervorgeschossen, schnellen Schrittes richtung seinem Haus. Mit Handzeichen gebe ich zu Verstehen, das ich mich Unterstellen möchte. Ich sehe eine Bank mit Vordach. Er deutet darauf hin, und gibt mir zu verstehen, Platz zu nehmen.
So sitze ich einige Minuten, lese, esse ein paar Kekse, und beobachte den Regen. Plötzlich geht gegenüber die Tür auf, der Mann kommt zu mir und stellt mir eine Tasse Tee hin. Dann sagt er nur: "Schnaps"?? Angesichts der Nässe, sage ich ja. 2 Minuten später, probiere ich selbstgemachten Honigschnaps. Ich, der seit Monaten kein Alkohol trinkt! Die Hälfte trinke ich, die andere Hälfte schütte ich in den Tee.

Ich warte noch einige Minuten, dann steige ich wieder aufs Velo. Der Tee mit Schnaps zeigt seine Wirkung, mir wird wärmer! Zusätzlich fahre ich plötzlich mit einem Grinsen, und froher Laune, durch den Regen den Berg hinauf. So kann man wohl sagen, im wahrsten Sinne des Wortes "Hatte ich einen im Tee"...

So kämpfe ich mich weiter vor, fahre ein paar KM, stelle mich ein paar mal in Bushäuschen unter, um ein wenig zu trocknen, bis ich endlich das kleine Dorf Dragomelji erreiche, ca. 10 km vor Ljubljana. Während ich bei einem Autohaus, auf die Wegbeschreibung per SMS warte, werde ich von dem Verkäufer auf einen Tee eingeladen. Dann sind es nur noch wenige Meter, und ich stehe vor meinem heutigen Quartier. Matjaz, zu deutsch Matthias, und seine Frau Nena, wie die deutsche Sängerin, meint Sie zur Begrüßung,nehmen mich völlig durchweicht in Empfang.
Nach der warmen Dusche, fragt mich Matthias ob ich einen Whiskey möchte!
Da ich noch halb angetrunken bin, sage ich ja, und mixe ihn mit Eistee. Nach zwei Tellern Gemüsesuppe mit Brot, komme ich wieder auf Betriebstemperatur.
Nachts schlafe ich im geheizten Wohnmobil, so habe ich ein Bett für mich.

Tag 28

Vorbei ist es mit dem Spätsommer. Morgens ist es bitter kalt. Mit 3 Schichten und langen Handschuhen bekleidet verabschiede ich mich von Matthias. Heute nun in die Hauptstadt von Slowenien. Während der Fahrt mache ich mir meine Gedanken, nachts wird es noch kälter werden.
In Ljubljana fahre ich ins Stadtzentrum, zu den bekannten 3 alten Brücken, über die vor einige wochen, unsere Kanzlerin lief. Ich schiesse die üblichen Fotos von den Sightseeing Plätzen. Dann setze ich mich in ein Cafe, und bleibe dort zuerst mal 3 Stunden hängen. Trinke Tee, esse Chips mit Käse, schreibe einen längeren Artikel für den Blog. Die Kälte schreckt mich ein wenig ab. Dann, endlich, kommt die Sonne durch.

Ein wenig demotiviert, schwinge ich mich aufs Rad. Kurz vor Vrnika, sehe ich rechts auf einer Pferdekoppel zwei Männer im Stall. Davor steht ein Tisch mit Bänken. Optimaler Zeltplatz. Es ist schon später nachmittag, mich graut es vor einer kalten Nacht im Zelt.
Ich spreche einen der Männer an, erzähle ein wenig von mir, woher im komme, wohin ich will. Und frage ob ich mein Zelt hier aufschlagen kann. Der Besitzer ist gleich ganz aufgeregt, und sagt, no problem, ich könne auch im Schuppen schlafen. Er geht gleich hinein, und fängt an aufzuräumen. Es stinkt zwar nach Pferd, dürfte aber mind. um die 5 Grad wärmer sein, als im Zelt. Zum Schluss schwärmt er mir noch von der Insel Cres, in Kroatien vor, er sollte recht behalten.

Tag 29

Die Nacht war kühl und hart, aber als ich die Tür öffne, erwartet mich eine Kältewelle, und somit bin ich froh, "drinnen" geschlafen zu haben. Heute wird sich entscheiden ob ich schon bis Kroatien fahre. Vormittags kommt zwar die Sonne raus, aber es bleibt frisch. Ich fahre bis Postojna, dort gibt es den letzten Campingplatz vor der Grenze. Von Matjaz + Nena aus, habe ich 2 Tage zuvor, einen Anfrage an einen Warmshower Typ in Opatija geschickt. Wenn er mir eine positive Zusage gibt, werde ich heute bis an die Küste strampeln.
Und tatsächlich, ich mache mein Handy an, und sehe eine SMS von Ihm, ich kann kommen, soll ich Bescheid geben, wenn ich die Grenze passiere.
Auf gehts! Die Aussicht auf eine bequeme und warme Unterkunf, motiviert mich immer wieder.

Irgendwann gegen 16 Uhr ist es soweit, ich passiere die Grenze zu meinem 4. Reiseland. Es geht fast nur noch bergab. 1 Std. später kann ich das erste mal einen Blick auf die Adriaküste werfen, ich fange ich an zu jubeln. Immer wieder ein erhabenes Gefühl diese weite aus Wasser zu erblicken.
Kurze Zeit Später, und nach rund 100 gefahrenen KM, holt mich Ivo, mein 4. Warmshower Host von dem vereinbarten Treffpunkt ab. Es wird der interessantes, und amüsantes Aufenthalt der bisherigen Tour werden.
Erster Eindruck: Oh, das wird nicht angenehm. Glatze, ernster Ausdruck, fester Blick.
Wir fahren zu seinem kleinen Haus. Als wir eine Einbahnstrasse von der Gegenrichtung passieren müssen, sagt er mir, ich solle absteigen, ansonsten 300€, Polizei, blabla..Toll denke ich mir,ein Ordnungs und Regelfanatiker.
Ums vorweg zu nehmen, am nächsten Morgen begleitete er mich ein Stück mit dem Rad in die Stadt, wir fuhren falsch durch die Einbahnstrasse, durch Fußgängerzonen. "From time to time, you have to be illegal": Ivo!

Im Haus geht es weiter. Ich bekomme alles genau erklärt, wie und was ich zu tun habe. Mein Schlafplatz ist im Kinderzimmer. Verwöhnt wie ich von den vorherigen Host wurde, dachte ich mir, wann gibt es Abendessen. Ha. Die Küche kann ich benutzen, doch Kochen nur selbst. Ok, kein Thema, hatte noch genügend Reis und Pasta. Der ganze Flair ist mehr wie in einem günstigem Hostel.
Es dauerte ein wenig, bis wir uns verstanden, wie so oft verbirgt sich hinter einer rauhen Schale, ein guter Kern. Nach meinem Abendessen, fing ich an mit ihm zu plaudern, eher, ich fragte ihm Löcher in den Bauch, über Route, Inseln, Einheimische usw. Und dann lernte ich seinen trockenen, zynischen Humor kennen, und vor allem seine Ausdrucksweise. Sorry, für die nachfolgenden Ausdrücke, Jugendliche sollte jetzt aufhören weiterzulesen! "Nobody gives a shit" "I don't give a shit"; Who cares this shit" "This fuckers". Das waren so die häufigsten Phrasen, in jedem 2. Satz!

Ein echter Typ, eine echte Marke für sich! Aber er holf mir sehr weiter, gab mir viele Ratschläge, warnte mich vor orkanartigen Winden an der Küste. Und gab mir Timetables für alle Insel im Norden, die ich mir abfotografierte mit der Digi.


Tag 30

Heute ruhig angehen lassen, ausgeschlafen bis 8, gut geschlafen im Kinderbett. Geld abgehoben, Einkaufen gegangen. Dann in die Stadt, Tourist-Info. Verabschiedung, sagte ihm er war der ämusantes Host von allen bisherigen!
Mit Ivo zusammen hatte ich eine meine weitere Route ausgetüftelt. Ich möchte eine Art Insel-Hopping machen, zumindest für die nördlichen Adriainseln. Nach einer Pizza Margaritha von einem Automat (schmeckte sogar), ging es wieder los. Immer der Küste entlang, was bedeutet, meistens Anstiege. Daran sollte ich mich gewöhnen.
Trotz hartem Pedalieren, verpasste ich knapp die Fähre nach Cres um 16.30. Die nächste ging um 18.30 "who cares this shit":-))

Als ich auf Cres ankam, war es natürlich schon dunkel. In einem kleinen Dorf fragte ich einen Kroaten der sehr gutes Deutsch sprach. Er führte mich zu einer Wiese, wo ich mein Zelt aufschlagen konnte. Mit der Stirnlampe machte ich mich noch schnell ein paar Nudeln. Dann kam die unruhige Nacht. Gegen 23 Uhr hört ich plötzlich, in der ansonsten absoluten Stille, Schweine grunzen! Wildschweine, war mein erster Gedanke. Sofort kamen mir Bilder, von riesigen Hauern, und 2 Zentnern Ebern. Ich habe mal den Film "Hannibal" gesehen.., aber lassen wird das..
Ich war hellwach, und lag starr im Schlafsack. Im Zelt fühlte ich mich einigermassen sicher. Gegen Morgen wurde ich von getrampel um meinen Zelt noch mal wach.
Endlich morgen, Licht hat immer etwas beruhigendes.
Ein ältere Kroatene erzählte mir dann tatsächlich von den Wildschweinen, das sie sich unkontrolliert vermehren, und junge Lämmer reissen..Tolle Aussichten fürs Wildcampen,but keep cool..

Tag 31

Schnell mein Lager abgebaut, schnelles Frühstück, und ab auf die Piste. Heute zur Stadt Cres, 26 km. Die ersten 10 KM nur bergauf, ich fluchte. Die ganze Landschaft, und die Umgebung, erinnerte mich sehr an Sardinien. Rechts steile Abhänge, links Granifelsen, und überall Steine. Außerdem fast überall Steinmauern, oder Zäune. Allein das macht das Wildcampen schwierig, bis unmöglich, zusätzlich zu den "Kampfschweinen".

Heute wollte ich auf jeden Fall auf einen Campingplatz, schliesslich wollte ich mich hier auch ein wenig erholen, nach rund 1.700 km in den Beinen. In Cres gab es noch einen, direkt am Meer, hat diese Woche noch offen, wie die meisten.
Lecker Pasta gemacht, Wäsche gewaschen, gelesen, und schwimmen gegangen.

Tag 32

Bin noch ein wenig unschlüssig. Cres werde ich wohl nicht ganz abfahren, wegen den Problemen mit Campen. Heute will ich noch zu einem Ort an die Westküste, der mir eindringlich von Ivo empfohlen wurde. Wahrscheinlich noch 1 Nacht auf Cres, und morgen dann rüber nach Krk. Von dort gibt es eine Brücke zum Festland. Auch die kurzen Verbindungen (20 min) von Insel zu Insel, kosten um die 5-8 Euro.
Auf Krk werde ich auf jeden Fall noch übersetzen, und dann entscheiden ob ich weiter "Hüpfe" oder an der Küste weiterfahre.

Jedenfalls passt hier das Wetter zum Radeln, sonnig, 21 Grad, nachs auch noch zweistellig, trockenes Zelt. So sind 4 Wochen rum, und langsam bekommt die Tour Ihre Eigendynamik.

Abschliessen möchte ich diesen etwas längeren Post mit einem Zitat von Claude Marthaler, der 7 Jahre mit dem Rad unterwegs war:
"Der Weg ist wichtiger als das Ziel. Spannung und damit auch die Motivierung ein Ziel zu erreichen, entstehen durch die Strapazen und die Dauer der Fahrt und werden in dem Augenblick zunichte, wo wir das Ziel erreicht haben."

P.S. Lade gleich noch mehr Bilder hoch, wunderschön

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