Dienstag, 11. Oktober 2011

Vom Glück des Gebens

Jetzt bin ich genau 4 Wochen unterwegs. Einiges an Härten und Strapazen habe ich durchgemacht, aber all das wurde durch eine viel grössere Anzahl von wunderbaren Erlebnissen und Eindrücken aufgewogen.
Wie man in meiner Tourbeschreibung lesen kann, ist diese Tour, nicht nur einfach eine Radtour durch Europa, sondern eine Tour mit einem speziellen Anliegen, mit einem Hintergrund, und ja, auch mit dem Versuch eine Botschaft zu vermitteln.
Diese Botschaft möchte ich versuchen, hier noch einmal näher zu umschreiben, und sie vor allem mit dem abzugleichen, was ich in den letzten Wochen erlebt habe.
Der Tour habe ich den Namen „Way of Living“ gegeben, was soviel heißt wie „Art zu leben“. Nun was heißt das „Art zu leben“? Soll das heißen, auf dem Rad durch die Welt zu kurven, und dies als neue Art des Lebens zu propagieren?

Nein das soll es nicht! Gerne nenne ich hierfür den bekannten Spruch von Gandhi „Sei du selbst die Veränderung, die du sehen willst, in dieser Welt“. So wie Gandhi meines Wissens nach, niemals verlangt hat, wie er zu leben, mit keinem Besitz, in kargen Umständen und vielen Fasten, kann meine Botschaft nicht sein, jeder sollte aufs Rad steigen, Wohnung und Job kündigen, und nur noch im Zelt zu leben! Wobei, nebenbei bemerkt, das immer mehr Individualisten und Freiheitsliebende, die mit den herrschenden System in Europa unzufrieden sind machen, gerade Leute in meiner Generation.

Ich möchte nun versuchen, aufgrund der Schilderung einiger Begegnungen und Ereignisse der letzten Wochen, diese Botschaft zu transportieren, und quasi das Leben selbst sprechen zu lassen.

Als erstes, fallen mir die Probleme mit der Beschaffung von einer neuen Gaskartusche für meinen Kocher ein. In Straubing lief ich drei Baumärkte ab. Nichts zu machen. Ich vergaß das ganze zuerst mal, da ich ja auch immer noch mit Spiritus kochen konnte,was ich dann auch die nächsten Tage machte. Ich machte mir also darüber keine grösseren Gedanken mehr.
Einige Tage später, als ich auf dem Murradweg in Österreich, Leoben erreichte, sehe ich plötzlich einen riesigen Hagebaumarkt. Sofort kommt mir der Gedanke, an die Kartusche. Ok, dachte ich mir, probiere es ein letztes Mal, ohne grosse Hoffnung auf Erfolg. Ich gehe also rein, frage 2 Verkäufer, und 2 Minuten später stehe ich vor einem Regal mit Kartuschen mit Schraubverschluss, exakt die, die ich brauche.
Erleichtert und zufrieden gehe ich raus, und denke mir so, irgendwie fügt sich schon alles.
In Graz bekam ich dann sogar noch von Andreas+Verena eine weitere Kartusche geschenkt, somit dürfte das Problem mit der Versorgung , für den Rest der Tour erledigt sein.

Als zweites, eine Begebenheit der letzten Tage. Vor fünf Tagen, saß ich auf dem Campingplatz in Prebold, und schaute abends bei Warmshowers.org nach potentiellen Gastgebern in Ljubljana. Ich schrieb mir 4 Stück heraus, die auch eine Telefonnummer angegeben hatten. Den ersten den ich erreichte, hatte keine Zeit, da er in den Urlaub fährt. Der zweite, Matjaz, den ich auf dem Handy erreichte, sagte ja ich könne kommen, meinte aber noch kurz, das er nicht direkt in der Hauptstadt wohne, sondern einige Kilometer davor. Das war mir zuerst gar nicht aufgefallen, also schaute ich mir noch mal genau die Karte in Google an. Und siehe da, schnell erkannte ich, das sein Wohnort genau auf der Route liegt, die ich nach Ljubljana fahren wollte. Und das war in zweifacher Hinsicht ein Segen, da es, wie beschrieben, am nächsten Tag, aus Eimern regnete, und ich über jeden gesparten Kilometer glücklich war. Zudem war seine Wohnung, in dem kleinen Ort, sehr einfach zu finden, und als ich mich bei einem Renault Händler kurz unterstellte, um ihn eine SMS zu schreiben, wurde ich von einem Verkäufer auf einen Tee eingeladen.

Irgendwo habe ich mal gelesen „ Wer vertraut, dem behütet das Schicksal“!
Und ich glaube darum geht es in erster Linie. Wobei auch dieses Vertrauen, keine Garantie, und immer alles nach Planung läuft, glaube ich, geht es um ein grundsätzliches Grund- oder Urvertrauen, ja und damit meine ich auch ausdrücklich, in das Leben, Schicksal oder einfach in die göttliche Führung, wie man es immer nennen mag!

Dieses Vertrauen erlebe ich fast immer nur bei dieser Art des Reisen. Wenn ich mich zurück entsinne, an meinen früheren geregelten Alltag, mit 8 to 5 Job, den damit verbundenen emotionalen und psychischen Stress, und all den Verpflichtungen, kann ich mich kaum an dieses Gefühl des Vertrauens erinnern. Im Gegenteil, alles war geregelt und das rationale, begriffsmäßige Denken lief auf Hochtouren, um all den Anforderungen gerecht zu werden, die so ein Leben verlangt.
Aber vor allem, das ganze Mit -und Zwischenmenschliche, blieb weitesgehend auf der Strecke. Jeder dachte an sich, an sein Ansehen im Job, wie er seine Rechnungen bezahlen kann, und in jeder Situation den größten Vorteil für sich raus schlagen konnte.

Und was erlebte ich die letzten 4 Wochen? Das genaue Gegenteil. Ob die nette Bauernfamilie aus Oberösterreich, ob Reiner aus Straubing, oder während meiner letzten Regenfahrt, der Slowene bei dem ich mich unterstellte konnte, und der mir nach einigen Minuten einen Tee und einen Honigschnaps brachte, das alles sind nur einige Beispiele für das was ich erlebt habe, im zwischenmenschlichen Bereich.

Dieses Vertrauen, diese menschliche Wärme, dieses fallen von allen Bedenken und Ängsten vor dem anderen, dem Fremden, geht in unserer reizüberfluteten, technologisierten und materiellen Welt, immer mehr verloren. Mißtrauen und Egoismus sind bestimmend und vorherrschend.
Immer wieder ließt man Meldungen in der Zeitung, von toten Alleinstehenden in riesigen Wohnblocks in irgendeiner Großstadt, die wochenlang in Ihrer Wohnung lagen, weil sich niemand in dem riesigen Haus, für Ihn oder Sie, interessierte. Vereinsamung und Isolierung, ein zunehmendes Phänomen vor allen in urbanen Zentren, auf dem Land kennt und unterstützt man sich noch, jedenfalls meistens.

Ich bin davon überzeugt, das diese Umstände, unmittelbar mit unserer Gesellschaftsstruktur und System zusammenhängt. Warum bekomme ich unterwegs einen Tee oder eine Einladung nach Hause angeboten, während das im „normalen Leben“, quasi undenkbar ist? Weil jeder mit seinem eigenen Überlebenskampf im herrschenden System beschäftigt ist!

Würde mich jemand bitten, in einem Satz zu beschreiben, was diese Tour vermitteln soll, würde ich antworten: Um Vertrauen und Miteinander unter den Menschen zu fördern!
Geben ohne unmittelbar etwas zurück zu erwarten, sondern einfach aus der Freude des Gebens heraus.

Und dafür bin ich da, das ist mein Anteil des Gebens, die Barrieren und Mauern der Menschen durch meine Sympathie, meinem Charakter, meiner Aufmerksamkeit und meinen Erfahrungen aufzubrechen, sie da zu berühren, wo wir im Grunde allen Seins verbunden sind, im Herzen!

Gerade jetzt, gerade heute, gerade in diesen Zeiten der gesellschaftlichen und sozialen Krisen, der Ängste und Zweifel, ist dies umso wichtiger, auch gerade deshalb, weil es im Mainstream immer mehr verschwindet, ja teils gerade zu lächerlich anmutet, mit so einer Einstellung durch die Welt zu gehen, bzw. zu radeln!

„Glück ist nur echt, wenn man es teilt“ war einer der letzten Sätze, die Christopher McCandless, aufschrieb, bevor er einsam in Alaska starb.

Dies Worte sollen mir weiterhin, Ansporn und Vorsatz sein, meine Erfahrungen, meine Erkenntnisse, und einfach mein natürliches Sein, mit anderen zu teilen.

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